Asyl-Einigung im Wortlaut "Personen reisen rechtlich nicht ein"
05.07.2018, 22:01 Uhr
Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, sollen künftig an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden.
(Foto: REUTERS)
Nach wochenlangem Streit innerhalb der Union findet die Große Koalition in der Asylpolitik doch noch eine gemeinsame Linie - allerdings gibt es nach wie vor Unsicherheiten, vor allem bei den geplanten Abkommen mit Österreich und anderen EU-Ländern.
Die Koalitionspartner haben sich auf folgende Punkte geeinigt:
1. Das Recht auf Asyl beinhaltet nicht das Recht, sich das europäische Land aussuchen zu können, in dem man das Asyl erhält. Deshalb sollen künftig an der deutsch-österreichischen Grenze Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt haben direkt in das zuständige Land zurückgewiesen werden, sofern mit diesem Mitgliedstaat ein Verwaltungsabkommen abgeschlossen oder das Benehmen hergestellt wurde, dass er die Antragsteller wieder zurücknimmt. In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.
2. Die Bundespolizei nutzt für das Transitverfahren ihre bestehenden Einrichtungen in unmittelbarer Grenznähe, sofern die Personen nicht unmittelbar in die bestehende Unterbringungsmöglichkeit im Transitbereich des Flughafens München gebracht werden und von dort aus in den Erstaufnahmestaat zurückkehren können. Für Familien und besonders schutzwürdige Personen wird es gesonderte Räume in den Unterkünften geben. Wie beim bestehenden Flughafenverfahren reisen die Personen rechtlich nicht nach Deutschland ein. Die Zurückweisung erfolgt innerhalb von 48 Stunden. Das Vorgehen erfolgt im Rahmen des geltenden Rechts; Gesetzesänderungen sind nicht erforderlich.
Der sogenannten Dublin-III-Verordnung zufolge ist stets das EU-Land für Flüchtlinge verantwortlich, dessen Boden sie zuerst betreten haben. Reist ein Asylsuchender trotzdem weiter, darf das Land, in dem er ankommt, ihn zurückschicken. Da die meisten Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa kommen, müssen Italien und Griechenland besonders viele Schutzsuchende versorgen. Rom und Athen pochen deshalb auf mehr europäische Solidarität. Weil die Dublin-Regeln angesichts der sehr hohen Flüchtlingszahlen nicht mehr funktionieren, setzt auch Deutschland mittlerweile auf eine andere Verteilungsmethode von Flüchtlingen in der EU. Vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten wehren sich aber gegen Quotenregelungen und andere Lösungsvorschläge.
3. Auch national wollen wir die Zuständigkeitsfeststellung in Dublin-Fällen deutlich beschleunigen. Für diejenigen Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat registriert wurden und im Inland angetroffen werden, wird ein besonderes, beschleunigtes Verfahren in den Anker-Einrichtungen eingeführt. Dies wird in Anlehnung an die im Asylgesetz bereits geregelten besonderen Aufnahmeeinrichtungen in einer eigenen Vorschrift normiert (BAMF-Verfahrensabschnitte innerhalb von je einer Woche, Residenzpflicht, keine Verteilung auf die Kommunen).
4. Das beschleunigte Verfahren begründet keinen Selbsteintritt in die Asylsachprüfung, es ist auf die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin-Verordnung beschränkt. Durch einen verstärkten Einsatz von Schleierfahndungen und sonstige intelligente grenzpolizeiliche Handlungsansätze kann die Zahl derer deutlich erhöht werden, die mit einem EURODAC-Eintrag grenznah erfasst und umgehend in die Ankerzentren gebracht werden. Zur weiteren Beschleunigung der Verfahren wird das Bundesinnenministerium die Ergebnisse der durch die Ministerpräsidentenkonferenz eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Dublinverfahren zügig umsetzen.
5. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird überdies zeitnah Vorschläge für weitere Beschleunigungsmöglichkeiten des Dublin-Verfahrens vorlegen. Im Rahmen der laufenden Dublin-IV-Reform wird sich Deutschland für eine effiziente Neugestaltung einsetzen. Ziel ist der Abschluss eines Dublin-Verfahrens in wenigen Tagen.
6. Heute gelingt eine Dublin-Rücküberstellung aus Deutschland nur in circa 15 Prozent der Fälle. Um diese Quote deutlich zu steigern, schließen wir mit verschiedenen EU-Mitgliedstaaten Verwaltungsabkommen gemäß Art. 36 Dublin-Verordnung ab. Diese Abkommen sollen die Rückführungsprozesse beschleunigen und können beiderseitige Rücknahmehindernisse beseitigen. So kann Deutschland bei der Dublin-Rücküberstellung deutlich effektiver arbeiten. Außerdem muss der Dublin-Bereich des BAMF personell erheblich verstärkt werden. Die gerade vereinbarte Personalerhöhung beim BAMF ist hierfür wesentlich und wird bei Bedarf weiter fortgesetzt.
7. Deutschland wird die EU-Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Europäischen Union bei der Bewältigung ihrer besonderen Herausforderungen unterstützen. Mit Spanien und Griechenland ist deshalb zum Beispiel vereinbart, die Fälle der Familienzusammenführungen schrittweise abzuarbeiten und abzuschließen. Um die Rückkehr weiter zu beschleunigen, wird der Bund für die Dublin-Fälle aus den Anker-Einrichtungen die Rückführungen übernehmen, soweit die jeweiligen Länder dies wünschen. Bisher wird zwar das Verfahren zur Klärung der Rücknahme vom BAMF durchgeführt - die Verantwortung für die eigentliche Rückführung geht dann aber auf eine der Ausländerbehörden über. Das verzögert die Verfahren und wird deswegen geändert.
8. Der Bund wird darüber hinaus künftig auch die Beschaffung der nötigen Reisepapiere übernehmen, soweit die jeweiligen Länder dies wünschen.
9. Der Europäische Rat hat beschlossen, FRONTEX deutlich auszubauen und das Mandat zu erweitern. Diese Bemühungen werden wir unterstützen.
10. Deutschland wird sich auf der europäischen Ebene für die Bekämpfung des Visumsmissbrauchs einsetzen.
11.Der Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird noch in diesem Jahr vom Bundeskabinett in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Quelle: ntv.de, jug