"Ankündigung eines Putsches" Polens Oberstem Gericht droht Entmachtung
13.07.2017, 22:12 Uhr
Die EU-Kommission prüft nach diversen Reformen die Rechtsstaatlichkeit Polens.
(Foto: AP)
Trotz heftiger Kritik aus Straßburg treibt Polens Regierungspartei PiS ihre umstrittene Justizreform unvermindert voran: Mit einem neuen Gesetz sollen nun die Richter des Obersten Gerichthofs in die Rente gezwungen werden - es sei denn, der Justizminister billigt sie.
Polens nationalkonservative Regierungspartei PiS will den Obersten Gerichtshof dem Justizministerium unterstellen. Sie brachte einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der diejenigen Richter des Obersten Gerichtshofs in den Ruhestand zwingen will, die der Justizminister nicht billigt. Für die Auswahl neuer Richter wäre ebenfalls der Justizminister zuständig. Die Opposition verurteilte den Gesetzentwurf als "Ankündigung eines Putsches".
Auch die Vorsitzende Richterin des Obersten Gerichtshofes, Malgorzata Gersdorf, kritisierte den Vorschlag scharf. Ihrer Meinung nach solle das Gericht durch das Gesetz in ein "dem Justizministerium anhängiges Gericht" verwandelt werden. Es wäre dann "stark abhängig von der Exekutive, was sehr unangebracht ist". Auch ihre Nachfolge würde der Justizminister bestimmen - falls das Gesetz in Kraft tritt. Das Oberste Gericht ist in Polen für die Kontrolle niedrigerer Gerichte zuständig.
Der PiS-Abgeordnete Stanislaw Piotrowicz begründete den Gesetzesvorschlag damit, dass die Justiz im gegenwärtigen System unter keiner sozialen Kontrolle stehe. Das polnische Parlament hatte bereits am Mittwoch mit der absoluten Mehrheit der PiS eine Reform des Landesrichterrats gebilligt, eines Verfassungsorgans zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz. Kritiker sehen darin den Versuch der Regierung, Einfluss auf die Richterwahl zu nehmen. Die Reform muss noch durch den polnischen Senat.
Kritik aus dem Europaparlament
Manfred Weber, der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, warf der PiS eine Abkehr vom Rechtsstaat vor und verlangte Konsequenzen der Europäischen Union. Auch der Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt erklärte auf Facebook: "Es gibt in Polen keine unabhängige und unparteiische Justiz mehr - eine Situation, die mit den EU-Verträgen eindeutig nicht vereinbar ist."
Die nationalkonservative Regierung hat seit ihrem Amtsantritt vor rund einem Jahr eine Reihe von Reformen umgesetzt, die nicht nur von der Opposition, sondern auch von der EU als Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit kritisiert werden. Die EU-Kommission leitete im Januar vergangenen Jahres ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein.
Quelle: ntv.de, jug/AFP/dpa