"Stärker und unabhängiger" Putin sieht Bevölkerung hinter sich
21.03.2024, 16:42 Uhr Artikel anhören
"Sieger"-Lächeln: Alter und neuer Präsident Russlands, Wladimir Putin.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
87 Prozent Zustimmung für Putin sprechen eine vermeintlich deutliche Sprache. So zumindest legt der alte und neue Präsident Russlands das Ergebnis aus. Sein Volk unterstütze seinen Kurs. Dabei sorgt neben zahlreichen Manipulationen vor allem die wirtschaftliche Lage vieler Russen eher nicht für Jubel.
Nach seiner inszenierten Wiederwahl hat der russische Präsident Wladimir Putin eine breite öffentliche Unterstützung seiner Politik für sich reklamiert. In einer Videoansprache nach der Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse der Abstimmung vom 15. bis 17. März, wonach er 87 Prozent der Stimmen gewann, sagte Putin, die Bevölkerung stehe hinter seinem politischen und wirtschaftlichen Kurs für das Land.
Die Zentrale Wahlkommission veröffentlichte die endgültigen offiziellen Ergebnisse der Wahl. Diese sollen zeigen, dass Putin mehr als 76 Millionen Stimmen erhielt, die höchste Zahl in seiner fast 25 Jahre andauernden Regierungszeit als Präsident oder Ministerpräsident des Landes. Seine drei symbolischen Rivalen von kremlfreundlichen Parteien, die Putins Politik unterstützten, erhielten jeweils drei bis vier Prozent der Stimmen.
"Das bedeutet Unterstützung für den politischen und wirtschaftlichen Kurs des Landes, unsere gemeinsamen Errungenschaften, die natürlich noch größer sein sollten, aber schon jetzt Russland stärker und unabhängiger machen", sagte der Präsident.
Arbeitskräfte fehlen, die Grenzen sind nicht sicher
Ein "Erdrutschsieg" des Amtsinhabers war nie in Gefahr. Das liegt aber, wenn überhaupt, weniger an Putins erfolgreicher Politik. Immerhin haben Hunderttausende Arbeitskräfte das Land verlassen, viele Zehntausende Männer ließen ihr Leben in der Ukraine, weitere Zehntausende werden verwundet heimkehren. Die Wirtschaft wächst zwar, aber nicht nachhaltig, sondern getrieben vom Hunger nach Nachschub seitens der Kriegsindustrie.
Die Inflation in Russland ist vergleichsweise hoch, in Teilen russischer Städte fielen im Winter immer wieder Heizungen aus. Dazu kommen Angriffe russischer Nationalisten in den russischen Grenzregionen Kursk und Belgorod und Drohnenattacken auf russische Ölraffinerien im gesamten Land. Letztere könnten zu einem Einbruch der Kapazitäten um 10 bis 15 Prozent führen, schätzen Experten. Es wird bereits Treibstoff für die Bevölkerung rationiert.
Zudem geht der Kreml seit Jahren enorm repressiv gegen politische Gegner und gegen Initiativen vor, die Putin und Co. ein Dorn im Auge sind, etwa Menschen, die der LGBTQ-Community angehören. Viele Menschen sitzen in Gefängnissen oder haben das Land aus politischen Gründen verlassen. Der einzige auch nur im Ansatz aussichtsreiche Gegenkandidat Putins, Boris Nadeschdin, wurde zur Wahl erst gar nicht zugelassen. Angeblich hatte er die notwendige Zahl von Unterstützerstimmen nicht erreicht, die viele Unstimmigkeiten aufwiesen. Worin die Unstimmigkeiten bestanden haben sollen, wurde nicht weiter erklärt.
Irritierend hohe Wahlbeteiligung
Auch bei den Wahlen selbst könnte es in erheblichem Maß zu Betrug gekommen sein. Die deutsche Plattform Dekoder hat auf X Zahlen der einzelnen Wahllokale ausgewertet und dabei Unstimmigkeiten festgestellt. So sei auffällig gewesen, dass Putin dort besonders gut abschnitt, wo die Wahlbeteiligung besonders hoch war. In der russischen Teilrepublik Tschetschenien etwa lag die Wahlbeteiligung angeblich bei 97 Prozent, 99 Prozent der Wähler stimmten für Putin. In ganz Tschetschenien lag die Wahlbeteiligung demnach in keinem Lokal unter 90 Prozent.
In Moskau dagegen gingen nicht mal 40 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen. Dort war die Verteilung der Stimmen bei Weitem nicht so stark zugunsten Putins. Berichten zufolge wurden etwa die Mitarbeiter staatlicher Betriebe oder der Verwaltung in Bussen zu Wahllokalen gefahren, um dort kollektiv ihre Stimme abzugeben. Den Angaben von Dekoder nach rechnen russische Wahlforscher mit einer möglichen Zahl von 22 Millionen gefälschten Stimmen.
Trotz Putins Rekordergebnis versuchten Russen, ihre Ablehnung des vorbestimmten Ergebnisses zu verdeutlichen: Sie folgten einem Aufruf von Vertrauten des in einer arktischen Strafkolonie gestorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, gegen die Unterdrückung im eigenen Land und den Krieg in der Ukraine zu protestieren, indem sie am Sonntagmittag in den Wahllokalen auftauchten. Zu dieser Zeit kam es dann zu Warteschlangen vor einer Reihe von Wahllokalen sowohl innerhalb Russlands als auch vor Botschaften in der ganzen Welt.
Quelle: ntv.de, als/AP