Reaktion auf Nato-Raketenabwehr Putin will Russlands Atompotenzial ausbauen
18.06.2016, 12:26 Uhr
Beim Internationalen Wirtschaftsforum begrüßte Putin auch Altkanzler Schröder.
(Foto: dpa)
Die Nato-Raketenabwehr ist dem russischen Präsidenten ein Dorn im Auge. Nun kündigt Putin an, die russische Atomstreitmacht auszubauen. Allerdings nicht um zu drohen, wie er sagt.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Nato-Raketenabwehr in Osteuropa als Gefahr für sein Land kritisiert. Die von den USA behauptete Gefahr durch iranische Atomraketen gebe es nicht, sagte Putin am Freitagabend in St. Petersburg. "Das heißt, wir hatten Recht, als wir sagten, dass man nicht ehrlich zu uns ist", sagte Putin.
"Wenn eine Seite beim Aufbau einer Raketenabwehr erfolgreicher ist als die andere, verschafft sie sich einen Vorteil", sagte Putin. Die Welt sei vor großen Kriegen gerade durch eine Balance der Kräfte bewahrt worden. Russland werde sein Atompotenzial weiterentwickeln, um das Gleichgewicht zu halten, "nicht um zu drohen". Die Nato hatte Mitte Mai in Rumänien eine erste Station in Betrieb genommen, die von Osten anfliegende Raketen abschießen soll. Eine zweite wird in Polen gebaut.
Die Nato-Batterien mit Raketen von 500 Kilometer Reichweite seien leicht und ohne Kontrolle auf Raketen mit doppelter Reichweite umrüstbar, sagte Putin. "Das ist Teil des atomaren Angriffspotenzials." Putin war in seiner Heimatstadt zwei Tage lang Gastgeber des Internationalen Wirtschaftsforum.
Steinmeier kritisiert "Säbelrasseln"
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach sich gegen militärische Drohgebärden der Nato gegenüber Russland aus. "Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen", sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". "Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt." Es dürften keine Vorwände für eine Konfrontation geliefert werden. Der SPD-Politiker bezog sich auf das große Nato-Manöver "Anakonda" in Polen, an dem 31.000 Soldaten aus 24 Nato-Staaten teilnahmen.
Steinmeier sagte, es wäre "fatal, jetzt den Blick auf das Militärische zu verengen und allein in einer Abschreckungspolitik das Heil zu suchen". Die Geschichte lehre, dass es neben dem gemeinsamen Willen zur Verteidigungsbereitschaft auch immer die Bereitschaft zum Dialog und zur Kooperation geben müsse. Mit den Nato-Partner müsse daher wieder "verstärkt über den Nutzen von Abrüstung und Rüstungskontrolle für die Sicherheit in Europa" gesprochen werden, sagte der Minister.
Nato: Raketenabwehr nicht gegen Russland gerichtet
Die Nato rechtfertigt die Raketenabwehr mit einer "wachsenden Bedrohung" durch ballistische Raketen. Immer mehr Länder besäßen solche Waffensysteme oder entwickelten diese. Im Bündnis wird auf die Nahost-Region und insbesondere den Iran verwiesen, dessen Mittelstreckenraketen mehrere tausend Kilometer weit fliegen und damit Europa erreichen können. Die Nato hatte 2010 mit der Planung begonnen und 2012 ein erstes Teilsystem in Betrieb genommen.
Auf ihrem Gipfel 2012 in Chicago erklärten die 28 Nato-Mitglieder ausdrücklich, dass sich die "Nato-Raketenabwehr nicht gegen Russland richtet". Das Bündnis verweist regelmäßig darauf, dass das System technisch gar nicht in der Lage sei, Russland zu bedrohen. Dies gilt demnach auch für die Radaranlagen, die gen Süden und nicht gen Osten gerichtet seien.
Als Reaktion auf die Abwehr hat das russische Militär die Flüge seiner atomwaffenfähigen Bomber in den vergangenen Jahren verstärkt. Moskau kündigte auch die Stationierung von atomwaffenfähigen Iskander-Kurzstreckenraketen in der Ostsee-Exklave Kaliningrad zwischen den Nato-Mitgliedern Polen und Litauen an. Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite sagte im März 2015, die Iskander-Raketen seien nun vor Ort und auch in der Lage, Berlin zu erreichen.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP