"Muss eine Win-Win-Situation sein" Ramelow lobt die Rente mit 70
03.01.2015, 07:57 Uhr
Der DGB verweist darauf, dass eine längere Lebensarbeitszeit auch von der Art der Tätigkeit und vom Abschluss abhingen.
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Ins Büro oder in den Betrieb bis ins hohe Alter? Der Vorschlag von Bundesagentur-Chef Weise ruft teils empörte Reaktionen hervor. Der DGB sieht enge Grenzen. Auch die Chefs der Linkspartei üben Kritik. Nun bekommt Weise Unterstützung - von unerwarteter Seite.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat sich offen für die Idee einer Rente mit 70 auf freiwilliger Basis gezeigt - und stellt sich damit gegen die Bundesparteispitze. "Ich sehe diesen Vorschlag nicht als Quatsch an", sagte der Linken-Politiker der "Thüringischen Landeszeitung".
Fachwissen und Lebenserfahrung sollten den Unternehmen, so Ramelow, nicht verloren gehen. "Es muss aber eine Win-Win-Situation für beide Seiten sein." Ein solches System müsse "einen entsprechenden Anreiz bieten und darf nicht auf Druck aufgebaut sein", sagte Ramelow weiter. "Arbeitnehmern, die das Rentenalter erreicht haben, aber weiter arbeiten wollen, kann beispielsweise die Einkommensteuer erlassen werden."

"Arbeitnehmern, die das Rentenalter erreicht haben, aber weiter arbeiten wollen, kann beispielsweise die Einkommensteuer erlassen werden": Bodo Ramelow.
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Die Debatte angestoßen hatte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise. Angesichts des Fachkräftebedarfs plädierte er dafür, eine Beschäftigung über das gesetzliche Rentenalter hinaus attraktiver zu machen. Im Gespräch mit der "Welt" sagte Weise: "Flexible Ausstiege aus dem Erwerbsleben in Rente sind grundsätzlich ein gutes Modell."
Ramelows Unterstützung für Weises Vorschlag dürfte bei den Linken Diskussionen auslösen. Parteichef Bernd Riexinger hatte den Vorschlag bereits als "abenteuerlich und völlig verfehlt" gebrandmarkt. Die zweite Vorsitzende Katja Kipping sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Vorschläge "gehen in die völlig falsche Richtung".
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, sagte hingegen der "Neuen Presse" aus Hannover, flexible Übergänge in die Rente seien "mehr als überfällig". "Sowohl ein früherer als auch ein späterer Renteneinstieg sollten möglich sein." Sie fügte aber hinzu: "Ob die 70 in diesem Zusammenhang allerdings die magische Zahl sein muss - da bin ich skeptisch."
Eine Idee für Akademiker?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagiert bislang verhalten auf den Vorschlag, eine freiwillige Rente mit 70 Jahren einzuführen. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach sagte "NDR Info" einem Vorabbericht zufolge, es sei zwar richtig, dass ältere Fachkräfte gehalten werden müssten. Die Chance hierfür hänge jedoch oft vom Abschluss ab.
"Mehr als drei Viertel von denjenigen, die zwischen 60 und 65 Jahren noch einen sozialversicherungspflichtigen Job haben, haben einen Berufsabschluss und sind Akademiker", sagte sie. "Sie haben oft andere Arbeitsbedingungen als diejenigen, die schlechter qualifiziert sind oder mit harter körperlicher Belastung in ihrem Arbeitsleben zu kämpfen hatten." Gerade Letztere müssten in eine Rente kommen können, von der sie auch leben könnten.
Von den 60- bis 65-Jährigen sei nach wie vor nur ein Drittel sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sagte Buntenbach der "Neuen Westfälischen". In den Ohren derjenigen, die es nicht bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter schafften, müsse es "wie Hohn klingen, wenn wieder einmal über die Freiheit des längeren Arbeitens philosophiert wird".
Nach Zahlen der Bundesagentur gingen Ende Juni 2014 knapp 173.000 Ältere zwischen 65 und 74 Jahren einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. In der Altersgruppe von 65 bis 69 waren es zum selben Zeitpunkt 130.000.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts