"Mahnwache" vor Kanzleramt geplant Rechte trauern mit Kalkül
21.12.2016, 09:57 Uhr
Götz Kubitschek ist eine zentrale Figur der neuen Rechten und steht hinter der geplanten Mahnwache. Auf dem Bild ist er mit Pegida auf dem Dresdner Theaterplatz.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit einer "Mahnwache" vor dem Kanzleramt gedenken Rechte der Opfer des Weihnachtsmarkt-Attentats. Auch die AfD-Politiker Gauland und Höcke haben ihre Teilnahme zugesagt. Hinter der Veranstaltung stecken gut organisierte Rechtsradikale.
Der Titel kommt so unschuldig daher: Eine "Mahnwache für die Opfer des Anschlags" soll es heute Abend geben vor dem Bundeskanzleramt. Doch die vermeintliche Trauerveranstaltung ist in Wahrheit eine Protestkundgebung, organisiert von stramm rechten Aktivisten. Auch wenn am Ende nur wenige Teilnehmer kommen sollten, zeigt die Versammlung doch zweierlei: Erstens wollen Rechte das Attentat nutzen, um Bürger aus der Mitte der Gesellschaft für ihre Sache zu gewinnen. Zweitens haben wichtige Teile der AfD-Spitze keine Berührungsängste nach Rechtsaußen.
Organisiert wird die Mahnwache von dem Verein "Ein Prozent", einem angeblichen Bürgerbündnis. Dahinter stecken rechte Aktivisten, die sich nach dem Muster zivilgesellschaftlicher Gruppen aus der Menschenrechts- und Umweltbewegung professionell organisieren. Sie haben die Vision, rechtes Gedankengut als Teil der Popkultur zu etablieren.
Angst schüren vor der "Umvolkung"
Zu den Köpfen des Vereins gehören der Publizist und Verleger Götz Kubitschek, der seit sich Jahren darum bemüht, Rassismus, Nationalismus und Anti-Feminismus durch einen intellektuellen Unterbau wieder salonfähig zu machen. Ebenfalls beteiligt ist Philip Stein, Mitglied einer schlagenden Burschenschaft, das enge Verbindungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitären Bewegung" pflegt. Auch der Herausgeber Jürgen Elsässer ist mit an Bord. Sein "Compact"-Magazin geriert sich als Frontblatt im Kampf gegen Deutschlands Eliten und die Multikulti-Gesellschaft.
Diese Gruppierung will mit ihrem Verein gegen eine "Flüchtlingsinvasion" ankämpfen. Die These: Angeblich würden nach Deutschland Einreisende weder kontrolliert noch registriert. Hunderttausende "Illegale" seien in Deutschland untergetaucht. Es ist die Vision einer angeblich stattfindenden "Umvolkung" - ein Austausch der Deutschen gegen Ausländer - warum auch immer die Regierung und die anderen etablierten Parteien daran ein Interesse haben sollten.
Dass nach Würzburg und Ansbach nun der dritte Anschlag durch einen Asylbewerber verübt wurde - danach sah es zumindest bis zur Haftentlassung des am Montag festgenommenen Verdächtigen aus Pakistan aus - spielt den Einprozent'lern nur zu gut in die Hände: Deutschlands Hilfe für Hunderttausende Menschen ist aus ihrer Sicht "deutschenfeindlich", weil sich unter den Schutzsuchenden auch Kriminelle und muslimische Extremisten befinden.
Allein auf Facebook findet "Ein Prozent" fast 30.000 Sympathisanten, und sie ist nur eine Plattform von vielen bei der Neuen Rechten. Diese stellt keine geschlossene, homogene Bewegung dar. Das Spektrum von Rechtsradikalen, Nationalisten und Ultrakonservativen ist in Deutschland seit jeher breit gefächert und von ideologischen wie persönlichen Streitigkeiten geprägt. Die Ablehnung der derzeitigen Asylpolitik gilt den Aktivisten aber als Chance, zusammenzurücken und Brücken in die politische Mitte zu schlagen.
Die AfD wirbt um Rechtsaußen
Ein wichtiges Vehikel stellt dabei die AfD dar: Einflussreiche Politiker der Partei - Pretzell, Höcke, Poggenburg, von Storch und Gauland - spielen immer wieder mit Tabubrüchen und Entgleisungen. Sie wollen nach rechts integrieren, distanzieren sich nie von Besuchern aus der Neonazi-Szene auf ihren Veranstaltungen. Dabei merken oder wollen sie nicht merken, wie sehr die Partei von ihren Rechtsaußen-Flügeln geprägt wird.
So wundert es auch nicht, dass der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland und der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke ihr Kommen für die "Mahnwache" vor dem Kanzleramt zugesagt haben. Es darf getrost ausgeschlossen werden, dass die beiden Politiker nicht wissen, mit wem sie sich da ins Bett legen.
Und während die Polizei noch immer den Weihnachtsmarkt-Attentäter sucht, die Berliner sich vom Schock der Ereignisse erholen, ziehen die Selbstgewissen, die es ja schon immer gewusst haben wollen, los zum Protest. Vorgeblich trauern sie um die Opfer des Anschlags, doch sie wissen um den medialen Effekt, wenn sie möglichst zeitnah an prominenter Stelle auftreten. Das ist kühles Kalkül, das Leid der Opfer ist da nachrangig.
Quelle: ntv.de