Vor Votum des Verfassungsrats Rentenproteste in Frankreich ebben ab
13.04.2023, 23:14 Uhr Artikel anhören
Bis Freitagnachmittag wird der französische Verfassungsrat scharf bewacht.
(Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP)
Mit Spannung blickt ganz Frankreich auf seinen Verfassungsrat. Das Gremium wird am Freitagnachmittag ein Votum zu Macrons umstrittener Rentenreform abgeben. Derweil verlieren die Bürger die Lust am Demonstrieren.
Einen Tag vor der Entscheidung des französischen Verfassungsrats zur Rentenreform sind erneut zahlreiche Menschen aus Protest auf die Straße gegangen. Nach Angaben des Innenministeriums nahmen landesweit rund 380.000 Menschen an den Protesten teil, 42.000 davon in Paris. Laut der Gewerkschaft CGT waren am Donnerstag "mehr als eine Million Demonstranten" auf der Straße - eine Million weniger als vergangene Woche.
Die Gewerkschaften hatten zum zwölften Mal zu einem landesweiten Streik- und Protesttag aufgerufen. In den westfranzösischen Städten Nantes und Rennes kam es am Rande der Demonstrationen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen radikalen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Polizei wurde mit Feuerwerkskörpern beworfen und setzte ihrerseits Tränengas ein. Mindestens zwei Autos von Luxusmarken gingen in Rennes in Flammen auf.
Das Gesetz wird derzeit vom Verfassungsrat geprüft, der am morgigen Freitag seine Entscheidung bekannt geben will. "Es wird nicht der letzte Aktionstag sein", sagte CGT-Gewerkschaftschefin Sophie Binet an einer blockierten Müllverbrennungsanlage in einem Pariser Vorort. Ihre Gewerkschaft hatte erneut zu einem Streik der Müllabfuhr aufgerufen. Es war jedoch zunächst nicht absehbar, wie stark der Aufruf befolgt wird. Im März hatten sich während eines dreiwöchigen Streiks der Müllarbeiter in Paris riesige Abfallberge angehäuft.
Insgesamt hatte die Beteiligung an den Streiks und den Demonstrationen zuletzt abgenommen. Das Innenministerium hatte für Donnerstag landesweit zunächst mit etwa 600.000 Demonstranten gerechnet - ähnlich viele wie Anfang April. Anfang März waren noch mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Laut SNCF sollte am Donnerstag etwa jeder fünfte Hochgeschwindigkeitszug ausfallen, im Pariser Nahverkehr hingegen nur noch wenige U-Bahnen und Busse. Im öffentlichen Dienst lag die Streikbeteiligung am Donnerstag bei 3,8 Prozent. In der vergangenen Woche waren es noch 6,5 Prozent gewesen. In Paris zogen die Demonstranten am Nachmittag von der Oper zum Place de la Bastille. Seit der Verabschiedung der Reform durch einen legalen Verfassungskniff hatten sich die Proteste teilweise radikalisiert. Die Sicherheitskräfte gerieten wegen ihres teilweise brutalen Vorgehens in die Kritik.
Nein des Verfassungsrats wäre Rückschlag für Macron
Die Entscheidung des Verfassungsrates am späten Freitagnachmittag wird mit Spannung erwartet. Erklärt dieses als Hüter der Verfassung wirkende Gericht das Gesetz für verfassungskonform, muss Präsident Emmanuel Macron es innerhalb von zwei Wochen unterzeichnen, um es in Kraft zu setzen. In diesem Fall ist mit erneuten Protesten der Reformgegner zu rechnen. Denkbar ist aber auch, dass der Verfassungsrat Nachbesserungen bei einzelnen Maßnahmen fordert. Dann würden die Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaft erneut beginnen.
Sollte der Verfassungsrat das Gesetz komplett ablehnen - etwa mit dem Argument, dass ein Haushaltsgesetz nicht die angemessene Form für eine so weitgreifende Reform ist - wäre es ein herber Rückschlag für Macron. Er hatte die Reform zu einem Hauptanliegen seiner zweiten Amtszeit erklärt. Der Verfassungsrat wird sich auch zu einem Antrag der linksgerichteten Opposition äußern, die einen Volksentscheid über die Rentenreform fordert. Sollte der Rat zustimmen, wäre es aber nur der Beginn einer langen Prozedur, bevor es tatsächlich zu einem Referendum käme.
Durch die Reform soll das Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Dabei sind weiterhin Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben. Zudem wird die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben. Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Rentenreform ab. Die Rente gilt in Frankreich als wichtige soziale Errungenschaft.
Quelle: ntv.de, mau/AFP