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Kein China-Ersatz, kaum Waffen Südkorea kann Habecks Probleme auch nicht lösen

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In Panmunjeom besucht Robert Habeck die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea. Hier, in Grenzbaracken, befindet sich die letzte Kommunikationsverbindung der verfeindeten Staaten.

In Panmunjeom besucht Robert Habeck die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea. Hier, in Grenzbaracken, befindet sich die letzte Kommunikationsverbindung der verfeindeten Staaten.

(Foto: dpa)

Südkorea ist vorbei, jetzt geht's nach China. Auf seiner Ostasienreise erlebt Wirtschaftsminister Habeck einen Gastgeber, der Deutschland wohlgesonnen ist. Doch das zum "Wertepartner" hochgelobte Südkorea kann Deutschland bei wesentlichen Herausforderungen kaum weiterbringen.

Während Deutschland Millionen Fans bei der Fußballeuropameisterschaft begrüßt, ist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck außerhalb Europas zu Gast bei Freunden. Eineinhalb Tage hat der Vizekanzler und Grünen-Politiker in Seoul verbracht und dabei immer wieder betont, wie wohl er sich beim "Wertepartner" Südkorea fühlt. Seine Reisen nach Brasilien, Indien und Südafrika waren ja eher ernüchternd. Die erhoffte Distanzierung von Russland ist ausgeblieben. Deren Staatenbündnis BRICS zusammen mit China und Russland hat sich als stabil erwiesen. Südkorea aber steht im Ukraine-Konflikt an der Seite des Westens - mit mindestens einem Fuß.

Waffen an die Ukraine liefert das hochgerüstete Hightech-Land wegen des eigenen, hochgefährlichen Konflikts mit Nordkorea nicht. "Südkorea liefert Waffen an Länder, die wiederum bereit sind, der Ukraine Waffen zur Verfügung zu stellen, sodass ich keinen Grund habe, die koreanische Seite zu kritisieren", sagt Habeck in Anschluss an ein Gespräch mit Premierminister Han Duck Soo.

Südkorea baut zudem Schiffe zum Transport von Flüssiggas (LNG). Verträge über eine Lieferung solcher Tanker an Russland wurden schon vor der russischen Vollinvasion der Ukraine aufgesetzt. "Es gibt eine gute Chance, diese Schiffe nicht auszuliefern. Was ich sehr begrüßen würde", berichtet Habeck aus dem Gespräch mit Han. Was es aber nicht geben wird, sind von der Ukraine dringend benötigte Patriot-Luftabwehrsysteme. Südkorea verweist auf den eigenen Verteidigungsbedarf gegen das pseudo-kommunistische Regime von Kim Jong Un.

In Südkorea ist die Parteinahme für die Ukraine umstritten

Der lässt Aufnahmen von sich und Wladimir Putin um die Welt gehen, wie beide in einer von Putin geschenkten Luxuskarosse herumfahren. Der russische Machthaber bezieht Artillerie und Munition für seinen Krieg gegen die Ukraine von Kim. "Man muss befürchten, dass das nicht ohne Gegenleistung passiert, sodass sich Nordkorea immer weiter militarisiert und aufrüstet", sagt Habeck in Seoul. Einen Tag darauf droht Russland Südkorea mit Konsequenzen, sollte das Land die Ukraine militärisch unterstützen.

Habeck lobt, Südkorea habe sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine "klar auf die Seite der Freiheit und der liberalen Demokratien gestellt". Das Land verstehe, dass sich Russlands Angriff grundsätzlich gegen liberale Demokratien richte. Während der Minister mit Regierungsvertretern spricht, trifft die mitgereiste Pressedelegation deutsche Südkorea-Experten und erfährt: Die Parteinahme für die Ukraine sei im Land umstritten.

Selbst Befürworter sähen die Unterstützung des angegriffenen Landes vor allem im Kontext eines Ringens zwischen den USA und Europa einerseits und den Nordkorea-Unterstützern China und Russland andererseits. Da stehe man aus Prinzip an der Seite der Ukraine. Das Ringen zwischen Demokratien und Autokratien spiele dagegen eine nachgeordnete Rolle.

Die Wertepartnerschaft ist eher eine Interessengemeinschaft

Habeck zeigt sich während der Reise tief beeindruckt davon, wie sich Südkorea seine Demokratie erkämpft hat. Doch auch hier gilt: Demokratie ist nicht gleich Demokratie. Das Zwei-Parteien-System in Südkorea gilt als hoch polarisiert. Beobachter bemängeln eine zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit. Frauen, queere Menschen und Migranten würden stark benachteiligt. Noch immer übt die kleine Elite von Eignern gigantischer Konzerne, sogenannter Chaebols, immensen Einfluss auf die Geschicke des Landes aus. Die "Wertepartnerschaft" ist demnach eher eine Interessengemeinschaft, was ja auch nicht wenig ist.

Zumal sich Südkorea und Deutschland wirtschaftlich nahestehen. Die beiden Hightech-Industrienationen sind einander wichtige Handelspartner. Mit einem Absatz deutscher Produkte in Höhe von 20,4 Milliarden Euro ist Südkorea wichtigstes Exportland in Asien nach China. Andersherum beliefert Südkorea Deutschlands Industrie mit Halbleitern sowie Konsumelektronik wie Handys, Fernseher und Kühlschränke. Die PKW des jeweils anderen Landes erfreuen sich großer Beliebtheit. Teure Fahrzeuge von Mercedes-Benz, BMW und Porsche prägen zwar nicht das Straßenbild von Seoul, sind aber nach den heimischen Marken am häufigsten zu sehen.

Diese Zusammenarbeit will Habeck ausbauen. Die Wirtschaftsdelegation aus Vertretern des deutschen Mittelstands ist zur Hälfte bereits in Südkorea vertreten. Für einen noch größeren Warenaustausch fordern Firmen- und Verbändevertreter eine Novelle des Freihandelsabkommens, etwa bei der gegenseitigen Anerkennung technischer Standards. Im Umgang mit China stehen die dort beidermaßen stark investierten Länder Deutschland und Südkorea vor gleichen Herausforderungen. "Die Rohstoffketten breiter aufstellen, die Abhängigkeit bei kritischen Produkten vor allem von China reduzieren: Das ist ganz analog zu dem, was wir hier machen", sagt Habeck.

Besuch in der "Mixed Zone" an der Grenze zu Nordkorea

Allerdings verfolgt Südkorea schon seit Jahren eine Rohstoffstrategie und versucht sich als eigenständiger Akteur Zugang zu den Rohstoffmärkten Südafrikas und Mittelasiens zu verschaffen. Diese Bemühungen stecken in Deutschland und der EU noch immer am Anfang, auch wenn die Ampel-Regierung unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges allerlei Projekte in diese Richtung angestoßen hat. Zudem drängt Habeck die Wirtschaft dazu, ihre Abhängigkeiten von China bei Rohstoffen, Produktion und Absatz herunterzufahren.

In Südkorea zeigt sich schnell: Das Land ist aber keine Alternative. Wegen vergleichbarer Lohnkosten haben Südkoreas Konzerne selbst Produktion massiv ins Ausland verlegt und so Länder erschlossen, die deutsche Konzerne gerade erst ins Visier nehmen, etwa Vietnam. Ferner steht Südkorea vor der Herausforderung einer rapide alternden Gesellschaft: 0,7 Kinder bekommt eine südkoreanische Frau im Schnitt. Das ist ein weltweiter Negativrekord und die Spirale zeigt weiter abwärts.

Der deutsche Wirtschaftsminister ist taktvoll genug, sich nicht zu den internen Problemen des Landes zu äußern. Dagegen widmet er sich der äußeren Bedrohung durch Nordkorea: In Panmunjeom besucht er die demilitarisierte Zone zwischen beiden Ländern. Ein US-Soldat führt den Besucher durch die Baracken an dem Kontaktpunkt. Laut Teilnehmerkreisen beobachtet die nordkoreanische Seite den Vorgang. Anders als die Unternehmensvertreter darf die deutsche Presse nicht dabei sein. Beim Scholz-Besuch im April hatte ein deutscher Journalist gefilmt, wo es nicht erlaubt war. Dafür muss die Habeck-Delegation nun büßen.

Habeck zeigt sich hernach beindruckt: "Das ist die letzte Kommunikationslinie, die Süd- und Nordkorea noch miteinander haben", sagt er über die an dem Übergang installierte Festnetzleitung zwischen beiden Ländern. "Im Fußball würde man sagen Mixed Zone (…), wo miteinander geredet werden kann", versucht er das Erlebte zu beschreiben. Ein gewagter, aber nicht falscher Vergleich. Die Heim-EM ist auch in 11.000 Kilometern Entfernung im Kopf des Ministers.

Quelle: ntv.de

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