Nato-Codename "Verwüstung" Russischer Kampfhubschrauber abgestürzt
12.04.2016, 11:55 Uhr
Nachteinsätze im syrischen Kriegsgebiet: Russland setzt "fliegende Panzer" vom Typ Mi-28N ein.
(Foto: Twitter.com / @ArmyComplex)
Schwerer Rückschlag für den Syrien-Einsatz der russischen Streitkräfte: Wenige Tage nach der Stationierung neuer Einheiten verliert die Besatzung einer "Havoc" während eines Nachtfluges die Kontrolle. Den beiden Piloten bleibt offenbar keine Chance.
Beim Absturz eines russischen Kampfhubschraubers in Syrien sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau beide Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen. Die Maschine des Typs Mi-28N sei ersten Erkenntnissen zufolge nicht abgeschossen worden, betonte ein Sprecher des Ministeriums. Die Absturzursache liegt noch im Dunkeln.
Der Vorfall habe sich in der Nacht in der zentralen Provinz Homs ereignet, hieß es. Bei der fraglichen Maschine handelt es sich um eine weiterentwickelte Version des Kampfhubschrauber Mi-28, die speziell für Schlechtwetter - und Nachteinsätze ausgerüstet ist. Der Nato-Codename des Hubschraubertyps Mi-28 lautet "Havoc", auf deutsch etwa: "Verwüstung". In russischen Medien wird die Maschine auch als "Nachtjäger" bezeichnet.
Codename "Verwüstung"
Die zweiköpfige Besatzung der Mi-28N hatte offenbar keine Chance: Sie konnten russischen Angaben zufolge nur noch tot geborgen werden. Die Leichen seien zum russischen Luftwaffenstützpunkt bei Latakia gebracht worden. "An der Absturzstelle arbeitet eine Expertengruppe", zitieren russische Medien einen Sprecher des Moskauer Ministeriums.
Bei den Arbeiten vor Ort dürfte es sich neben den üblichen Ermittlungen zur Unfallursache auch um Bemühungen zur Sicherung der explosiven Zuladung des Hubschraubers handeln. Bewaffnet sind die Mi-28N üblicherweise mit einer 30-Millimeter Maschinenkanone unter dem Bug sowie mit verschiedenen Luft-Boden-Raketen, Freifallbomben oder zusätzlichen Waffenbehälltern an seitlichen Ladepunkten.
Angetrieben wird der knapp 18 Meter lange und 3,80 Meter hohe Kampfhubschrauber von zwei Triebwerken mit einer Leistung von jeweils 2200 PS. Das maximale Startgewicht liegt bei etwa 11,7 Tonnen. Damit ist die "Havoc" etwas größer, stärker und schwerer als sein westliches Gegenstück, der US-Kampfhubschrauber AH-64 "Apache". Die typische Einsatzreichweite schätzen Experten auf etwa 500 Kilometer. Die Provinz Homs liegt von der russischen Basis an der Mittelmeerküste nicht viel mehr als 100 Kilometer entfernt.
Eine rein technische Absturzursache ist nicht unwahrscheinlich: Erst Anfang August 2015 war eine Maschine diesen Typs während einer Flugschau abgestürzt. Bei diesem Vorfall hatten Probleme an der Hyraulik dazu geführt, dass die Maschine ins Kreiseln geriet, rapide an Höhe verlor und nach dem Aufschlag auf dem Boden ausbrannte. Einer der beiden Piloten starb damals in den Flammen.
Nachteinsätze gegen Kampfpanzer
Russland fliegt als enger Partner des syrischen Machthabers Baschar al-Assad seit Ende September Luftangriffe in dem Bürgerkriegsland. Die militärische Hilfe dient der Unterstützung der syrischen Armee im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und andere Rebellengruppen. Mitte März hatte Russlands Präsident Wladimir Putin überraschend einen Teilabzug der russischen Streitkräfte angekündigt. Zur Begründung hieß es, die russischen Streitkräfte hätten ihre Aufgabe in dem Bürgerkriegsland weitgehend erfüllt.
Russische Kampfhubschrauber vom Typ Mi-28N sind vor Ort offenbar erst seit wenigen Tagen im Einsatz. Wie am Wochenende bekannt wurde, rüstet Moskau das russische Kontingent in Syrien mit zusätzlichen Waffensystemen auf. Zu den neu in Syrien stationierten Einheiten zähle auch die "Havoc", berichteten Militärexperten mit Blick auf aktuelle Satellitenaufnahmen aus der Region.
Neues Militärmaterial aus Russland
Ob sich dahinter ein Strategiewechsel - weg von Distanzschläge aus großer Höhe, hin zu bodennahen Unterstützungsmissionen - verbirgt, ist unklar. Ein in der russischen Rüstungsindustrie sicher willkommener Nebeneffekt jedoch ist, dass durch die Entsendung zusätzlicher Waffensysteme weitere Kampfeinheiten Einsatzerfahrung sammeln können.
Auf aktuellen TV-Aufnahmen aus Syrien ist zudem zu erkennen, dass Russland neben den vergleichsweise betagten Hubschraubern vom Typ Mi-28, die bereits in den frühen 1980er Jahren für die Abwehr von Kampfpanzern entwickelt worden waren, seit kurzem auch topmoderne Kampfhubschrauber vom Typ Kamow Ka-52 Einsätze gegen Aufständische und Islamisten fliegen. Im Unterschied zur Mi-28N verfügt der Ka-52 "Alligator" über ein Rettungssystem für die Besatzung, die sich etwa im Fall eines Triebwerksausfalls per Schleudersitz aus der Maschine retten kann.
Mit dem Tod der beiden Piloten sind seit dem Beginn des russischen Militäreinsatzes offiziellen Angaben zufolge bereits sieben russische Militärangehörige in Syrien ums Leben gekommen. Zuvor waren ein Kampfpilot, ein Marineinfanterist, ein Militärberater und zwei russische Spezialkräfte in Syrien getötet worden. Ein weiterer Soldat nahm sich nach Armeeangaben das Leben.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa