"Todesurteile als Werkzeug" Saudi-Arabien richtet 47 Menschen hin
02.01.2016, 08:51 Uhr
Der Hinrichtungsplatz in Riad. Todesstrafen werden in Saudi-Arabien öffentlich vollstreckt - mit dem Schwert.
(Foto: dpa)
Seit der Machtübernahme von König Salman steigt in Saudi-Arabien die Zahl der Todesurteile. Jetzt werden 47 Menschen in dem wahhabitischen Königreich hingerichtet, darunter ein schiitischer Geistlicher, der eine führende Rolle im Arabischen Frühling spielte.
Saudi-Arabien hat 47 Menschen wegen angeblicher Terrordelikte hingerichtet. Unter anderem wurde der bekannte schiitische Geistliche Scheich Nimr Baker al-Nimr exekutiert. Seine Hinrichtung droht die Spannung zwischen den beiden Regionalmächten, dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien, zu verschärfen.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Teheran Saudi-Arabien vor der Hinrichtung Al-Nimrs gewarnt. Ein ranghoher iranischer Geistlicher sagte nun, die saudi-arabische Führung werde als Folge der Exekution stürzen und die sunnitische Herrscherfamilie aus den Geschichtsbüchern gestrichen. Ajatollah Ahmad Chatami, der der Regierung in Teheran nahesteht, forderte die islamische Welt auf, die Hinrichtung auf das Schärfste zu verurteilen.
Die meisten der 47 Hingerichteten waren als Al-Kaida-Terroristen verurteilt worden. Die Botschaft der Regierung liegt auf der Hand: Wer für die Rechte der Schiiten in Saudi-Arabien eintritt, ist ebenfalls ein Terrorist. Neben Al-Nimr wurden mindestens drei weitere Schiiten exekutiert. Sie alle waren wegen der Proteste gegen die Regierung im Zuge des Arabischen Frühlings verurteilt worden.
Al-Nimr gehörte zu den Anführern der Proteste im Osten des Königreichs, die 2011 ausgebrochen waren. Der Aufstand begann weitgehend friedlich, eskalierte jedoch, als schiitische Aktivisten im Sommer 2011 verhaftet wurden. Im extrem repressiven Saudi-Arabien sind Demonstrationen generell verboten.
Systematische Diskriminierung

Der Anstieg der Zahl von Hinrichtungen geht einher mit der Machtübernahme von König Salman.
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Nach einem Bericht des "Guardian" hatten die protestierenden Schiiten anfangs nur ein Ende der Diskriminierung im streng sunnitisch-wahhabitischen Königreich gefordert. Erst als der Druck des Staates größer wurde, habe es vereinzelt Rufe nach einem Sturz der Monarchie gegeben. Ende 2011 kam es dann zu den ersten Toten. Aktivisten nannten den Aufstand von 2011 die "Intifada der Würde".
Al-Nimr hatte während der Proteste die Abspaltung der mehrheitlich schiitischen Regionen Katif und Al-Ihsaa im Osten von Saudi-Arabien befürwortet. Die meisten der rund zwei Millionen saudi-arabischen Schiiten leben im Osten des Landes. Nach Angaben von Amnesty International werden die Schiiten im Land systematisch diskriminiert. Der Menschenrechtsorganisation zufolge haben sie nur begrenzten Zugang zu staatlichen Leistungen und zum Arbeitsmarkt und werden auch anderweitig stark benachteiligt. Führende Vertreter der Schiiten und Aktivisten müssen in Saudi-Arabien damit rechnen, "festgenommen und in unfairen Gerichtsverfahren zu Gefängnisstrafen oder zum Tode verurteilt zu werden".
Al-Nimr wurde vor einem Jahr wegen Aufwiegelung, Ungehorsams und Waffenbesitzes von einem Sondertribunal zum Tode verurteilt. Ende Oktober wurde das Todesurteil vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens bestätigt.
151 Todesurteile im Jahr 2015
Saudi-Arabien hatte 2015 laut Menschenrechtlern so viele Todesurteile vollstreckt wie seit 20 Jahren nicht mehr. Von Januar bis November waren demnach mindestens 151 Menschen hingerichtet worden, wie Amnesty mitteilte. Im gesamten Jahr 2014 seien 90 Menschen hingerichtet worden.
Der Anstieg der Zahl von Hinrichtungen geht einher mit der Machtübernahme von König Salman. Er war Ende Januar nach dem Tod seines Vorgängers Abdullah auf den Thron gestiegen. Amnesty kritisiert, Saudi-Arabien setze das Todesurteil auch als "politisches Werkzeug" gegen die schiitische Minderheit ein. Als einziges Land der Welt führt Saudi-Arabien Todesstrafen wie die Terrormiliz Islamischer Staat durch: als öffentliche Enthauptungen.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa