
Wenn Rajoy tatsächlich im Amt bleibt, wäre das ein politisches Kunststück.
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Es war die spannendste Wahl seit Jahrzehnten, nun haben die Spanier den Salat. Statt klarer Mehrheiten gibt es ein großes Durcheinander. Das ist besonders für Noch-Ministerpräsident Rajoy heikel.
Die Spanier sind verwirrt. "Nach der Wahl schlafen zu gehen, ohne zu wissen, was passieren wird, ist wie von einer Party nach Hause zu kommen, ohne jemanden abgeschleppt zu haben", schreibt ein Kommentator der Zeitung "El País". Tatsächlich sind die Menschen nach der Parlamentswahl am Sonntag in einer dramatisch veränderten politischen Landschaft aufgewacht. Ob es ein böses Erwachen ist, wird sich zeigen.

Der Sozialist Pedro Sanchez könnte eine Linkskoalition schmieden, doch ob das wirklich gelingen kann, ist höchst fraglich.
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Das Land erlebt erstmals seit dem Übergang zur Demokratie, was Italien und andere Südländer schon lange kennen: unklare Mehrheitsverhältnisse. Neben Sozialisten und Konservativen mischen nun auch die beiden Protestparteien Podemos und Ciudadanos mit. Das alte verkrustete, aber auch übersichtliche Zweiparteiensystem ist Geschichte. Nur wer soll nun die Regierung stellen? Der Amtsinhaber Mariano Rajoy von der konservativen PP hat angekündigt, eine Regierung bilden zu wollen. Wie er das hinkriegen will, weiß wohl nur er.
Denn eine Mehrheit ist in weiter Ferne. Inhaltliche Nähe hätte er vor allem zur neuen bürgerlich-liberalen Partei Ciudadanos - dessen Vorsitzender Albert Rivera hat jedoch ausgeschlossen, Rajoy zu wählen, geschweige denn eine Koalition einzugehen. Und selbst wenn er sich doch noch breitschlagen ließe - für eine absolute Mehrheit bräuchte Rajoy noch die Stimmen einer weiteren Partei. Die sind allerdings alle links der Mitte zu Hause und würden dem konservativen Regierungschef die kalte Schulter zeigen.
Große Koalition wäre Premiere
Man darf davon ausgehen, dass Rajoy gerade Rot sieht - denn das könnte seine Rettung sein. Ob eine Große Koalition mit den Sozialisten wirklich stabil wäre, müsste sich erst noch zeigen. Seit Spanien wieder eine Demokratie ist, hat es noch nie eine Koalitionsregierung gegeben, bis in die kommunale Ebene hinein ist dies unüblich. Die Gräben zwischen Sozialisten und Konservativen sind tief, viel tiefer etwa als zwischen CDU und SPD. In Spanien polarisieren die Politiker leidenschaftlich, erst in der vergangenen Woche giftete Sozialistenführer Pedro Sanchez den Ministerpräsidenten an und bezeichnete ihn als unanständig. Einer Großen Koalition hat er zudem eine Absage erteilt.
Sanchez hat ein wenig bessere Machtoptionen als Rajoy - komfortabel ist seine Situation aber auch nicht. Nur mit einem Fünf-Parteien-Bündnis könnte er eine absolute Mehrheit erreichen: Sozialisten, Podemos, Vereinigte Linke sowie Unabhängigkeitsparteien aus dem Baskenland und Katalonien müssten sich zusammentun. So ein Bündnis wäre in jedem Land waghalsig, in Spanien kommt landestypischer Sprengstoff hinzu. Die Sozialisten wollen kein unabhängiges Baskenland, gleiches gilt für Katalonien - Podemos hingegen will ein Referendum über dessen Verbleib anstrengen, die Regionalparteien wollen dies sowieso. Dauerärger wäre in einer solchen Koalition programmiert.
Viel übrig bleibt da nicht mehr. Theoretisch wäre auch eine Minderheitsregierung Rajoys möglich. Dieser müsste zunächst eine Mehrheit für seine Wahl organisieren und dann immer wieder neue Adhoc-Bündnisse im Congreso schmieden. Doch dann droht ihm im links-dominierten Parlament ein ständiger Spießrutenlauf.
Bewegung könnte Rajoy trotzdem in die verzwickte Lage bringen - indem er zurücktritt. Dann wäre eine Große Koalition vielleicht für die Sozialisten eher verkraftbar - nach dem Motto "Immerhin ist der Alte nun weg". Auch Ciudadanos könnte dann einem Bündnis mit der PP offener gegenüberstehen. Unendlich Zeit haben die Politiker im fünftgrößten Land der EU jedenfalls nicht. Wenn es zwei Monate nach dem ersten Versuch, einen Ministerpräsidenten zu wählen, keine Regierung gibt, sieht die Verfassung Neuwahlen vor.
Quelle: ntv.de