EU-Weltmacht neben China und USA Scholz distanziert sich von Macrons "Großmachtfantasien"
09.05.2023, 11:43 Uhr Artikel anhören
Die EU funktioniere nur auf Augenhöhe mit anderen Staaten, sagt Scholz in Straßburg.
(Foto: REUTERS)
Frankreichs Präsident Macron plädiert vor wenigen Wochen für eine EU als globales Machtzentrum neben China und den USA. Bundeskanzler Scholz geht das zu weit. Wer von einer tripolaren Weltordnung träume, stecke in der Vergangenheit, kontert er im Europaparlament.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich klar gegen Bestrebungen ausgesprochen, die EU zu einer dritten Supermacht neben den USA und China zu machen. "Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtfantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit", sagte der SPD-Politiker im Europäischen Parlament in Straßburg. Andere Länder würden sich "zu Recht nicht abfinden mit einer bi- oder tripolaren Weltordnung". Was es brauche, sei Partnerschaft, die Augenhöhe nicht nur behaupte, sondern herstelle, sagte Scholz. "Die Welt des 21. Jahrhunderts wird multipolar sein."
Für eine EU als globales Machtzentrum neben den USA und China hatte zuletzt unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plädiert. Er sprach im April in einem Gespräch mit Journalisten davon, dass Europa ein "dritter Pol" sein könne und sagte, strategische Autonomie sei unabdingbar, um zu verhindern, dass die europäischen Staaten Vasallen würden.
Scholz sagte in Straßburg dagegen, nicht weniger, sondern mehr Offenheit, mehr Kooperation seien das Gebot der Zeit, um Europa einen guten Platz zu sichern in der Welt von morgen. "Einen Platz nicht über oder unter anderen Ländern und Regionen. Sondern auf Augenhöhe mit anderen, an ihrer Seite", fügte er hinzu. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es nach den Worten von Scholz nun eine geopolitische, erweiterte, reformierte und zukunftsoffene EU. Dazu zähle eine noch viel engere Verzahnung der Verteidigungsanstrengungen und der Aufbau einer integrierten europäischen Verteidigungswirtschaft, erklärte er. Zudem müsse man bereits jetzt die Weichen für den Wiederaufbau der Ukraine stellen.
Rivalität und Wettbewerb seitens China haben zugenommen
Im Ringen um einen gemeinsamen europäischen Ansatz für die Beziehungen zu China unterstützt Scholz den Ansatz einer Risikoreduzierung. Er sei sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einig, dass es keine Abkopplung, aber eine kluge Risikominderung geben müsse. Die Beziehung zu China sei mit dem Dreiklang Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale zutreffend beschrieben - wobei aber Rivalität und Wettbewerb seitens Chinas ohne jeden Zweifel zugenommen hätten.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte Ende März in einer Grundsatzrede zum Verhältnis zwischen der EU und China dafür geworben, die Beziehungen zum bevölkerungsreichsten Land der Erde neu auszutarieren. Sie betonte dabei, dass die EU unabhängiger werden und wirtschaftliche Risiken, etwa in Lieferketten europäischer Firmen, minimieren müsse. Es sei jedoch nicht im Interesse der EU, sich von China abzukoppeln.
Scholz hat in seiner Rede zudem die Bedeutung des Europatags hervorgehoben. Der 9. Mai sei die einzig richtige Antwort auf den von Deutschland entfesselten Weltkrieg, auf zerstörerischen Nationalismus und imperialistischen Größenwahn. Zudem betonte der SPD-Politiker: "Krieg zwischen unseren Völkern ist unvorstellbar geworden - der Europäischen Union zum Dank und zu unser aller Glück." Doch nicht in allen Ländern Europas sei dieser Traum auch Realität, sagte er mit Blick auf den inzwischen 14-monatigen Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Invasion.
Vor 73 Jahren hatte der damalige französische Außenminister Robert Schuman die sogenannte Schuman-Erklärung vorgelegt. Sie wird als Grundstein für die Europäische Union gesehen. Schuman schlug damals die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor, deren Mitglieder ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammenlegen sollten. Nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs sollte so ein erneuter Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich werden.
Quelle: ntv.de, vmi/dpa