Politik

"Wir werden das schaffen" Scholz' erster Aufschlag mit Fischbrötchen

Wichtigster Sozialdemokrat in der neuen Bundesregierung: Olaf Scholz.

Wichtigster Sozialdemokrat in der neuen Bundesregierung: Olaf Scholz.

(Foto: dpa)

Finanzminister und Vizekanzler: Olaf Scholz ist die wichtigste Figur der SPD in der neuen Bundesregierung. Nicht nur die Opposition wird es ihm so schwer wie möglich machen. Das zeigt sich schon bei seinem ersten Auftritt im Bundestag.

Olaf Scholz wählt einen Satz, für den eigentlich die Kanzlerin bekannt ist. In der Mitte seiner Rede sagt er: "Wir können und werden das schaffen." Anders als Angela Merkel meint der Sozialdemokrat nicht die Flüchtlingskrise, bei ihm geht es um solide Finanzen und die Krisenfestigkeit der Europäischen Union. Am Mittwoch stand Merkel und ihre Regierungserklärung im Mittelpunkt, heute ist es ihr Stellvertreter Scholz. Es ist sein erster Auftritt als Vizekanzler. Welche Prioritäten wird er setzen? Was will er?

Die Bühne Bundestag ist so ganz neu nicht für den 59-Jährigen. 1998 zog er erstmals ins Parlament ein, zwischen 2002 und 2004 verteidigte er die Hartz-Reformen von SPD-Kanzler Gerhard Schröder. In der ersten Großen Koalition von Angela Merkel war er zwei Jahre lang Arbeitsminister. 2011 legte Scholz sein Bundestagsmandat nieder und wurde Erster Bürgermeister in Hamburg. Nun ist er nach sieben Jahren Abstinenz nach Berlin zurückgekehrt.

Scholz beginnt mit einer Bilanz: Deutschland stehe gut da, er lobt die Beschäftigungslage und die sinkende Arbeitslosigkeit. Die Finanzen seien in guter Ordnung, die hohen Einnahmen verschafften der Regierung gute Möglichkeiten. Auch wenn Scholz sich nicht explizit an Wolfgang Schäuble wendet, kann man dies als Lob für seinen Vorgänger verstehen, der als Bundestagspräsident direkt hinter ihm sitzt. Dann skizziert Scholz die Herausforderungen. Trotz der insgesamt guten Entwicklung gehe es nicht allen Menschen im Land gut. "Nur wenn uns das gelingt, dann sind wir auch wirklich erfolgreich", sagt er.

Auf Schäuble-Kurs

Im Ausland gab es mit dem Wechsel im deutschen Finanzministerium die Hoffnung auf so etwas wie einen neuen Ton und auch auf eine größere Bereitschaft, den deutschen Handelsbilanzüberschuss zu verringern. Scholz hat jedoch bereits angekündigt, dass er Schäubles Kurs fortsetzen will. Solide Haushaltspolitik, keine neuen Schulden, schwarze Null. Auch FDP-Abgeordnete applaudieren, als er dies im Bundestag erneut betont. In den vergangenen Jahrzehnten seien zu viele Schulden gemacht worden, deshalb müsse sich nun eine lange Phase anschließen, die Defizite abzubauen. Wegen der guten Konjunktur sieht Scholz dennoch Spielraum für Investitionen: in Infrastruktur, Bildung und Forschung. Die Erhöhung des Kindergeldes, die Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus, das neue Baukindergeld und die Stabilisierung des Rentenniveaus dienten dem sozialen Zusammenhalt. Ein wichtiges Ziel, das sich die Bundesregierung gesetzt hat.

Dann ist Scholz beim großen Thema Europa. "Wir als Deutsche mitten Europa mit dem größten Sozialprodukt haben ein zentrales nationales Interesse daran, dass Europa funktioniert und diese EU eine Zukunft hat." Die Bedingungen seien nicht schlecht, dennoch müssten nun die notwendigen Schritte gegangen werden. "Wir müssen wegkommen von allgemeinen Thesen und bloßen Haltungen", sagt Scholz. Seine erste Auslandsreise führte den neuen Finanzminister in der vergangenen Woche nach Paris, zum wichtigsten Partner. Vor allem auf Initiative der SPD will die neue Bundesregierung einen großen Schritt machen in Richtung Emmanuel Macron. Der französische Präsident hatte im Herbst umfangreiche Vorschläge zur Zukunft Europas gemacht und wartet seitdem auf eine Antwort. Im Bundestag sagt Scholz dazu: Man wolle "nicht 1:1 alles genauso, wie es vorgeschlagen worden ist". Dennoch nennt er Macrons Ideen ein "mutiges Bekenntnis". Spätestens im übernächsten Jahr, also nach den Europawahlen, fordert er, müssten nun "alle notwendigen Entscheidungen" getroffen werden, das Europa funktioniert. Viel näher geht er diesem Tag nicht ins Detail. Auch das Thema Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump verhängen will, lässt er aus.

Scholz kündigt zwar an, dass Deutschland infolge des Brexits in der EU künftig einen höheren Beitrag leisten muss. Zugleich stellt er klar: "Ein deutscher Finanzminister ist ein deutscher Finanzminister, egal welches Parteibuch er hat." Scholz hatte dies vor einigen Tagen bereits gesagt. "Ich glaube, diese Botschaft ist gut angekommen", erklärt er im Bundestag. Und dann endet Scholz erster Aufschlag. "Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen", sagt er, der während seiner Rede ohne Redemanuskript auskommt. "Wir werden es schon gut miteinander hinbekommen."

Scholz und der Investmentbanker

Leicht wird Scholz es nicht haben. Eine dankbare Vorlage lieferte er selbst. Scholz hat den Goldman-Sachs-Investmentbanker Jörg Kukies zum Staatssekretär gemacht, was für große Kritik sorgt. "Scholz macht denselben Fehler wie schon Steinbrück, bei Finanzmarktfragen auf Investmentbanker und ihre Freunde zu hören", sagte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. "Da kommt jemand von der Heuschrecke", ätzte CDU-Chefhaushälter Eckardt Rehberg. Auch FDP-Fraktionsvize Christian Dürr stürzt sich im Bundestag genüsslich auf die Personalie, dass ausgerechnet die Sozialdemokraten einen Investmentbanker berufen.

Linken-Politiker Fabio de Masi begrüßt den neuen Finanzminister ebenfalls wenig herzlich. "Es wäre nett, wenn Sie zuhören", ermahnt er ihn, während Scholz sich auf der Kabinettsbank mit seinem Sitznachbarn, Innenminister Horst Seehofer, unterhält. Später macht de Masi ein Gedankenspiel. "Stellen Sie sich vor, Sie würden Fischbrötchen an der Elbe verkaufen. Für einen anständigen Lohn. Und ich würde zum Mindestlohn von 8,84 Euro auf der Reeperbahn Astra zapfen. Mein Bier wäre spottbillig, deswegen würden Sie immer bei mir tanken. Aber ich könnte mir Olafs Fischbrötchen nicht leisten. Kein Umsatz für Sie. Irgendwann wären Sie pleite und müssten bei mir anschreiben. Hätte ich einen anständigen Lohn, könnte ich bei Ihnen Fischbrötchen kaufen und Sie könnten bei mir trinken bis zum Umfallen. Davon hätten wir beide was", triumphiert de Masi. Dieses volkswirtschaftliche Kurzseminar ringt Scholz, der mit verschränkten Armen dasitzt, nur ein müdes Lächeln ab.

CDU-Haushaltsexperte Rehberg spielt im Plenum etwas später auf die SPD-Abgeordneten an, die die schwarze Null ablehnen, und erzählt dann von seinen Enkeln. Er wolle nicht, dass einer der drei irgendwann sage: "Opa, du warst doch Haushälter. Aber du hast dafür gesorgt, dass wir heute die Lasten deiner Politik mitbezahlen." Die Botschaft: Auch der Koalitionspartner wird den neuen Finanzminister nicht schonen. Scholz ist die Schlüsselfigur der SPD in der neuen Bundesregierung, die Union wird deshalb alles daran setzen, zu verhindern, dass er sich übermäßig profilieren kann. Im Interview mit dem "Stern" kündigte Scholz an, dass die SPD 2021 wieder den Kanzler stellen könne. Ob das gelingt, dürfte entscheidend von ihm abhängen.

Quelle: ntv.de

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