Politik

Innenminister diskutieren noch Scholz und Meloni dringen auf EU-Asyl-Reform

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Die aktuellen Verhandlungen der EU-Innenminister über schärfere Asylverfahren gestalten sich schwierig. Die Positionen der Mitgliedstaaten liegen zum Teil weit auseinander. Kanzler Scholz und Italiens Ministerpräsidentin Meloni sind dennoch optimistisch, dass es zu einer Einigung kommt.

Bundeskanzler Olaf Scholz und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben an die anderen 25 EU-Regierungen appelliert, einer EU-Asyl-Reform zuzustimmen. "Es wird schwierig, wenn wir die Probleme auf die anderen Partner abwälzen", sagte Meloni nach einem Treffen mit Scholz. "Ich bin absolut überzeugt, dass wir zu einer Lösung kommen werden", fügte sie mit Blick auf die Beratungen der EU-Innenminister hinzu.

Der Kanzler warnte ebenfalls davor, dass die Versuche einer Einigung scheitern würden, wenn man die Probleme der steigenden Flüchtlingszahlen nicht gemeinsam angehe. Er hoffe auf eine Einigung der Innenminister und Innenministerinnen im Laufe des Tages "oder spätestens bald", sagte Scholz. Er erneuerte das Angebot an die Herkunftsländer der Geflüchteten, Verträge über eine legale Migration nach Deutschland abzuschließen.

Meloni kündigte an, dass sie mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte nach Tunesien reisen werde. Von dem nordafrikanischen Staat aus starten derzeit viele Boote mit Migranten, die versuchen, über das Mittelmeer in die EU zu gelangen.

Faeser hadert mit aktuellem Kompromisspapier

Die gegenwärtigen Verhandlungen der EU-Innenminister über schärfere Asylverfahren gestalten sich unterdessen schwierig: Unter anderem Italien und Österreich verlangen in Luxemburg Nachbesserungen an einem vorliegenden Kompromissvorschlag. Bundesinnenministerin Nancy Faeser signalisierte grundsätzlich Zustimmung zu den darin vorgesehenen Grenzverfahren, forderte aber erneut Ausnahmen für Familien mit Kindern. Unterstützung fand sie damit unter ihren EU-Kollegen kaum.

Bei den Beratungen geht es um neue Asylverfahren direkt an Europas Außengrenzen. Migranten mit geringen Aufnahmechancen etwa aus der Türkei, Pakistan oder Albanien sollen von dort direkt in ihre Heimatländer zurückgewiesen werden, damit sie erst gar nicht in die EU kommen. Diese Eilverfahren sollen maximal zwölf Wochen dauern, davon sind zwei für eine mögliche Beschwerde der Bewerber vorgesehen.

An der Reform gibt es in Deutschland massive Kritik aus den Reihen von Grünen und SPD, aber auch von Flüchtlingsorganisationen und Kulturschaffenden. Sie fürchten Menschenrechtsverstöße in den Asylzentren an den Grenzen und appellieren an die Bundesregierung, nicht zuzustimmen.

Faeser räumte ein, dass das vorliegende Kompromisspapier des schwedischen EU-Ratsvorsitzes "sehr schwierig für uns in Deutschland" sei. Sie kämpfe "sehr darum, dass wir Familien mit kleinen Kindern nicht in das Grenzverfahren bekommen". In einer öffentlichen Diskussionsrunde unterstützten aber lediglich Portugal, Irland und Luxemburg den deutschen Vorstoß, den Faeser mit Menschen- und Kinderrechten begründete. Sollten sich andere Länder in der Frage nicht bewegen, könnte Deutschland dem Asylkompromiss theoretisch zustimmen und seine Vorbehalte in einer sogenannten Protokollnotiz festhalten. So war die Bundesregierung etwa beim Verbrenner-Aus vorgegangen.

20.000 Euro pro Flüchtling?

Ohne deutsche Zustimmung würde die Reform scheitern. Dies gilt auch für Italien. Innenminister Matteo Piantedosi warnte vor zusätzlichen Belastungen für sein Land, sollte es keine Änderungen geben. "Wir erinnern uns in Italien immer noch an das schreckliche Schiffsunglück von Lampedusa", sagte er unter Anspielung auf das Kentern eines überfüllten Flüchtlingsschiffs vor rund zehn Jahren, bei dem fast 400 Menschen ertranken.

Österreichs Innenminister Gerhard Karner forderte darüber hinaus Asylverfahren in sogenannten sicheren Drittstaaten, zu denen sein Land etwa Tunesien und Algerien zählt. Damit könne die EU "verhindern, dass sich Menschen über das Meer auf den Weg machen und dabei ertrinken", argumentierte Karner. Die Bundesregierung lehnt eine solche Verschärfung ab.

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Die EU-Länder ringen seit der Fluchtkrise im Jahr 2015 um ein gemeinsames Asylsystem. Faeser sagte im ARD-"Morgenmagazin", damit könnten die EU-Länder zu einer "wirklichen Solidarität, nämlich einer gerechteren Verteilung kommen". Mittelmeerländer wie Italien, Griechenland oder Spanien fordern seit Jahren eine Umverteilung von Geflüchteten, da sie sich überlastet sehen.

Osteuropäische Länder wie Ungarn und Polen, die partout keine Migranten aufnehmen wollen - außer aus der Ukraine - sollen laut dem Kompromissvorschlag künftig für deren Unterbringung in anderen Ländern zahlen. Im Gespräch waren zuletzt rund 20.000 Euro pro Geflüchtetem. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nannte dies eine "Pflicht zur Solidarität". Eine Einigung erfordert eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsländer, also mindestens 15 der 27 Staaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen. Danach müssen sich die Länder noch mit dem Europaparlament verständigen. Ein Jahr vor der Europawahl gilt dies als schwierig, denn die Positionen liegen sehr weit auseinander.

Quelle: ntv.de, fzö/rts/AFP

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