Verständnis für Russland Schröder kritisiert Baerbocks Ukraine-Besuch
28.01.2022, 14:49 Uhr
Eng mit Putin: Altkanzler Schröder.
(Foto: picture alliance/dpa)
Schröder bewertet den Ukraine-Konflikt aus Sicht des Kremls. Immerhin ist der Altkanzler mit dem russischen Präsidenten befreundet. Dass die ukrainische Regierung Deutschland tadele, bezeichnet Schröder als "Säbelrasseln". Zudem wirft er Baerbock eine gezielte Provokation vor.
Altkanzler Gerhard Schröder hat die deutsche Absage an Waffenlieferungen in die Ukraine verteidigt und die ukrainische Kritik daran mit deutlichen Worten zurückgewiesen. "Ich hoffe sehr, dass man endlich auch das Säbelrasseln in der Ukraine wirklich einstellt", sagte Schröder in dem Podcast "Die Agenda". "Denn was ich dort vernehmen muss, auch an Schuldzuweisungen an Deutschland, wegen der ja vernünftigen Absage an Waffenlieferungen, das schlägt manchmal doch dem Fass den Boden aus."
Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock haben der Lieferung letaler, also tödlicher Waffen an die Ukraine eine klare Absage erteilt. Kiew hat das scharf kritisiert. Die Regierung dort fordert unter anderem Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme von Deutschland. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte am Mittwoch angekündigt, dass Deutschland der Ukraine 5000 militärische Schutzhelme liefern wird. Die sei ein "ganz deutliches Signal: Wir stehen an Eurer Seite", sagte die SPD-Politikerin nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses.
Den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine wertete Schröder auch als Reaktion auf NATO-Manöver im Baltikum und in Polen. "Natürlich hat das Auswirkungen auf das Denken und die Bedrohungsanalyse in Russland selbst", sagte er. Das müsse man in Rechnung stellen, wenn man auf Ausgleich mit Russland aus sei.
Schröder will selbst nicht vermitteln
Auch die Tatsache, dass Baerbock vor ihrem Antrittsbesuch in Moskau die Ukraine besuchte, kritisiert Schröder. Er nannte das eine "kleine Provokation" Russlands. "Ich habe mich gewundert, dass man Russland besucht und vorher in Kiew ist. Na gut, das haben die Russen wohl hingenommen", sagte Schröder. "Ich hoffe, dass dieses Modell beim China-Besuch nicht wiederholt wird - woher auch immer dann die Reise kommt."
Baerbock war Anfang Januar zuerst zu ihrem Antrittsbesuch nach Kiew gereist und dann von dort weiter nach Moskau, wo sie Außenminister Sergej Lawrow traf. Schröder lobte das klare Nein Baerbocks zu Waffenlieferungen an die Ukraine bei der Reise. Das sei "respektabel" gewesen. Insgesamt könne er "keinen großen Fehler" der Grünen-Politikerin bei der Reise erkennen, "mit Ausnahme der Tatsache, dass man die kleine Provokation, über Kiew nach Russland zu fliegen, vielleicht hätte vermeiden können", sagte der frühere SPD-Vorsitzende. "Aber nun gut, das ist eben eine Stilfrage."
Schröder wurde in dem Podcast-Interview mit seinem früheren Regierungssprecher Béla Anda auch gefragt, ob er angesichts seiner Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin bereit sei, in dem Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Dafür gebe es den US-Präsidenten, den französischen Präsidenten und den Bundeskanzler, antwortete Schröder. "Da kann jemand, der durchaus über persönliche Beziehungen verfügt, aber nicht wirklich helfen. Das müssen die Verantwortlichen schon selber leisten, sonst kann das nichts werden."
Altkanzler schließt Einmarsch aus
Mit einem russischen Einmarsch in die Ukraine rechnet der Altkanzler nicht. "Ich glaube das nicht. Und ich glaube auch nicht, dass die russische Führung ein Interesse daran haben kann und hat, in der Ukraine militärisch zu intervenieren." Schröder ist seit seiner Zeit als Bundeskanzler mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet.
Russland hat an der Grenze zur Ukraine rund 100.000 Soldaten zusammengezogen. Die Regierung in Moskau weist den Vorwurf zurück, eine Invasion vorzubereiten. Sie fordert aber Sicherheitsgarantien der NATO wie eine Absage an eine Aufnahme der Ukraine. Die Allianz lehnt dies mit Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht von Staaten ab, hat der Ukraine bislang aber keine konkrete Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt.
Quelle: ntv.de, mbe/lve/dpa/rts