Pegida feiert Sie glauben an den Weihnachtsmann
22.12.2014, 23:31 Uhr
"Gemeinsames Weihnachtslieder-Singen" gegen die angebliche Überfremdung durch Flüchtlinge: Pegida-Anhänger vor der Semperoper in Dresden.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Dresden taugt eine amerikanische Werbefigur als Symbol für das Abendland. Auch ein paar Jugendliche aus der Vorstadt machen sich Sorgen. Den Weihnachtsmann zu verteidigen, macht ihnen richtig Spaß.
Für die Jugendlichen von Wilsdruff ist das hier eine große Sache. Sie fahren schon ab und zu nach Dresden, aber auf einer Demo waren sie noch nie. Politisches Engagement? "Nö." Mal bei den Jusos oder der Jungen Union vorbeigeschaut? "Was ist das?"
Pegida, zwei Tage vor Heiligabend, ist für fünf Jungs aus dem Vorort die erste politische Veranstaltung, die sie besuchen. Zwei, die schon länger dabei sind, haben ihnen von der "guten Stimmung" erzählt. Das wollten sie sich ansehen. 14 bis 19 Jahre alt sind sie. Woher sie sich kennen? In Wilsdruff kennt man sich halt. Was sie hier erreichen wollen?
Dazu müssen sie Chris rufen, den Ältesten der Gruppe. Der hatte in Gemeinschaftskunde immer eine Eins. Chris argumentiert damit, dass es in Berlin-Kreuzberg ja keine Weihnachtsdeko mehr geben dürfe, aus Rücksicht auf Muslime. Woher er das weiß? Ein Freund hat es ihm erzählt und der hat es auf mehreren Blogs gelesen. Welche, weiß er auch nicht. Was er da sagt, ist die Ableitung eines Gerüchts, an dem vorne und hinten nichts stimmt. Beirren lässt er sich von dieser Information nicht.

Christliches Liedgut gegen Asylsuchende: Versammlungsleiter Lutz Bachmann spricht in Dresden zu den Anhängern des "Pegida"-Bündnisses.
(Foto: picture alliance / dpa)
Chris' Eltern sind dagegen, dass er hier ist. "Die glauben noch das, was die Medien schreiben", sagt Chris. Aber er ist ja volljährig. Seine minderjährigen Freunde werfen sich einen verschwörerischen Blick zu und reichen eine Zigarre weiter, als wäre sie ein Joint. Dann hängen sie wieder an Chris' Lippen, der sagt, dass man doch etwas tun müsse gegen die ganzen vollverschleierten Frauen, die man in Dresden immer öfter sähe.
Schweigeminute für Pakistan
Auf der Bühne präsentieren die Redner die perfide Pegida-Mischung: Sie fragen, woher das "ganze Geld für die Asylanten" komme. Sie beschweren sich darüber, dass "Weihnachten abgeschafft" werde, über "mediale Tiefschläge" und "Verleumdungen von Politikern". 70 Prozent der Ausländer hätten kein Recht, hier zu bleiben, behauptet eine Rednerin. Sie müssten weggeschickt werden.
In den Hass streuen die Aktivisten Bemerkungen, die dem Ganzen einen menschenfreundlichen Anstrich geben sollen: Ein Redner richtet sich gegen "die, die Juden, Schwule und lesbisch aussehende Frauen bedrohen". Nicht nur von zu vielen Kopftüchern ist die Rede, sondern auch davon, dass man keine Kippa mehr tragen dürfe - auch wenn die Jüdische Gemeinde zu den ersten gehörte, die gegen Pegida demonstrierten.
Pegida-Frontmann Lutz Bachmann fordert die 17.500 Demonstranten auf dem Dresdner Theaterplatz sogar auf, eine Schweigeminute für die 140 Kinder einzulegen, die in der vergangenen Woche bei einem Taliban-Massaker starben. Danach widmet er sich den Medien, witzelt über einen Kameramann, der daran scheiterte, ihm aufzulauern. "Lügenpresse, Lügenpresse" skandieren die Demonstranten. Chris und seine Jungs gröhlen mit und lachen. "Geil ist das hier", ruft einer.
Besorgte Besinnlichkeit
Die Demo ist als "gemeinsames Weihnachtslieder-Singen" angekündigt. Ein Mann mit Schnauzbart hat sogar eine Flagge mit Weihnachtsmann dabei. Er demonstriert hier, "damit wir auch in Zukunft noch Weihnachten feiern können und dürfen". Eine Werbefigur als politisches Symbol. "Alle Jahre wieder", "Stille Nacht" und "Oh du Fröhliche" unterbrechen die Ansagen von der Bühne. Wenn man nicht gerade selbst Angst vor der Islamisierung des Abendlandes hat, ist das der merkwürdigste Aspekt dieser Demo: Die Menschen schaukeln sich nicht in ihrem Hass hoch. Sondern sie kommen hierher, wie sie sonst auf den Weihnachtsmarkt gehen. Sie genießen es, ihr Ressentiment ausleben zu können. Pegida ist ein Event, ein nettes Beisammensein, ein Gemeinschaftserlebnis.
Die Pfiffe, die vereinzelt von der Gegendemo herüber schallen, stören die besorgte Besinnlichkeit nur wenig. Etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen zwei Aktivisten, die vor der Bühne auf einmal eine Antifa-Fahne hochhalten und "Nie wieder Deutschland!" rufen. Von allen Seiten werden sie geschubst, eine Frau geht zu Boden. Ein breitschultriger Typ hält seine Kumpanen davon ab, brutaler zu werden. Unter "Haut ab"-Rufen lassen sich die beiden aus der Menge schieben. "Boah", sagt einer der Jungs aus Wilsdruff, "dass die sich das trauen." Chris hatte nicht zu viel versprochen, hier ist was los.
Quelle: ntv.de