
Kommt es zu einer Verständigung der beiden alten Parteien? Der konservative Regierungschef Rajoy und Sozialistenführer Sanchez treffen sich zu Sondierungsgesprächen.
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Drei Tage nach der historischen Wahl in Spanien beginnen die Sondierungsgespräche. Noch-Ministerpräsident Rajoy kämpft um sein Amt - auf mehr als eine Minderheitsregierung kann er aber kaum hoffen.
In Spanien rauchen die Köpfe. Politiker, Journalisten und Bürger grübeln, überlegen und rechnen - doch sie kommen immer wieder auf das gleiche Ergebnis: Mit dem Wahlergebnis vom Sonntag ist eigentlich keine Regierungsbildung möglich. Zumindest dann nicht, wenn man in alten Denkmustern verharrt. Die konservative Volkspartei PP mit ihren 28 Prozent hat keine eigene Mehrheit, zwei Koalitionspartner wären dafür nötig - aber die stehen Ministerpräsident Mariano Rajoy nicht zur Verfügung. Daher heißt es nun, aufeinanderzuzugehen. Genau das passiert gerade im fünftbevölkerungsreichsten Land der EU. Zunächst einmal hat sich Rajoy nun mit dem Sozialistenführer Pedro Sánchez getroffen - man wollte zumindest mal miteinander reden.
"Wir sagen Nein zu Rajoy und seiner Politik", lautet das Fazit des Treffens aus Sicht des Sozialisten-Chefs. Seine Partei werde jedwede Regierung ablehnen, die Rajoy oder dessen Volkspartei zur Abstimmung stelle. vielmehr machte Sánchez Andeutungen, nun selbst eine linke Regierung bilden zu wollen. Er sprach sich nach dem Treffen mit Rajoy für die Bildung einer "Regierung des Wechsels" aus.
Die Sozialisten (PSOE) haben keine Lust, den Mehrheitsbeschaffer für die Konservativen zu geben, nachdem sie diese im Wahlkampf bis aufs Blut bekämpft hatten. "Die Leute haben den Wechsel gewählt", sagte etwa die andalusische Ministerpräsidentin Susana Díaz zuvor. Daher könne man nun keine Koalition eingehen. Ähnlich haben sich bereits andere Vertreter der PSOE geäußert - von verbaler Abrüstung nach der Wahl ist keine Spur. Rajoy hatte zwar zu Wochenbeginn an die Sozialisten appelliert, sich an ihre Verantwortung für das Land zu erinnern , doch der Ruf verhallte ungehört.
Noch etwas spricht für die Sozialisten gegen eine "Gran Coalición a la alemana". Sie mögen ihren Status als stärkste Kraft nach der PP nicht aufgeben. Das würde bedeuten, dass sich die neue linke Protestpartei Podemos als Oppositionsführerin profilieren und frei von Sachzwängen die PSOE vor sich hertreiben könnte. Rajoy versuchte, den Sozialisten die Wahl mit einer bislang heißdiskutierten Verfassungsreform schmackhaft zu machen. Er könnte diesen anbieten, soziale Rechte in das spanische Grundgesetz aufzunehmen. Ebenfalls fordern die Sozialisten, Troika-Kredite nur solange zu bedienen, wie grundlegende Sozialleistungen im Gesundheits- und Bildungsbereich gewährleistet sind.
Jungstar schlägt Dreierpakt vor
Den Sozialisten würde es genügen, sich bei der Wahl Rajoys zu enthalten. Im zweiten Wahlgang könnte dieser dann mit einer einfachen Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt werden. So würden die Sozialisten einerseits Verantwortung demonstrieren und andererseits Opposition machen können.
Die Gedankenspiele mischt nun der neue Jungstar der spanischen Politik auf. Albert Rivera von der neuen bürgerlich-liberalen Partei Ciudadanos schlägt einen Dreierpakt vor. Die konservative PP, die sozialistische PSOE und seine Partei sollten sich auf konkrete Reformen einigen, ohne offiziell eine Koalition einzugehen. Was die drei Parteien eint, ist eine Frage von historischer Bedeutung für Spanien: die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Eine Abspaltung der bevölkerungsreichsten Region des Landes möchten Rajoy, aber auch Sozialistenführer Sanchez und eben Rivera um jeden Preis verhindern. Das Schreckgespenst in dieser Frage ist wiederum Podemos. Die Protestpartei will ein echtes Referendum für Katalonien - eine Horrorvorstellung für viele Spanier.
Quelle: ntv.de