Politik

Neues Online-Tool Spielen Sie den Rentenminister!

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(Foto: picture alliance / Felix Kästle/)

Zu viele Rentner, zu wenige Beitragszahler - die Bundesregierung steht vor einer großen Herausforderung. Wie sieht die Zukunft der Rente aus? Ein neues Online-Tool versetzt den Spieler in die knifflige Lage der Politik.

Als Arbeitsminister ist Hubertus Heil von der SPD für das Thema Rente zuständig. Aber alle 80 Millionen Deutschen können nun zumindest spielerisch in seine Rolle schlüpfen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und das Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos haben heute das neue Online-Tool "Rentenminister" vorgestellt. Das Timing ist kein Zufall, denn in dieser Woche startet die neue Rentenkommission, die Vorschläge für die Bundesregierung erarbeiten soll.

Im Mai stellte Arbeitsminister Heil seine Rentenkommission vor. Die soll bis März 2020 ihren Bericht vorlegen.

Im Mai stellte Arbeitsminister Heil seine Rentenkommission vor. Die soll bis März 2020 ihren Bericht vorlegen.

(Foto: picture alliance / Ralf Hirschbe)

Die Große Koalition hat sich auf die sogenannte doppelte Haltelinie verständigt. Demnach soll das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent liegen und der Beitragssatz (heute 18,6 Prozent) nicht auf mehr als 20 Prozent steigen. Länger wird sich dies jedoch kaum aufrechterhalten lassen. "Dann schlägt der demografische Wandel richtig zu", prophezeit Oliver Ehrentraut, Vize-Direktor von Prognos. Berechnungen zufolge wird das umlagefinanzierte Rentenniveau nach jetziger Rechtslage bis 2040 auf 42,8 Prozent sinken, während der Beitragssatz auf 23,3 Prozent steigt. Zusätzlich wäre ein jährlicher Steuerzuschuss von 157,4 Milliarden Euro nötig.

Das Problem ist der demografische Wandel. Bis 2040 soll die Zahl der Rentenempfänger deutlich steigen, die der Beitragszahler erheblich abnehmen. Aber wie geht die Politik damit um? Der "Rentenminister" versetzt den Spieler in die Herausforderung, vor der auch die Experten der Rentenkommission stehen. In dem Online-Tool lassen sich verschiedene Szenarien durchspielen. Der Spieler kann Reformen in verschiedenen Kombinationen durchführen und an drei Stellschrauben drehen, um die rentenpolitischen Auswirkungen zu berechnen. Ein paar Beispiele:

  • Rentenniveau und Renteneintrittsalter bleiben bis 2040 stabil bei 48 Prozent beziehungsweise 67 Jahren. Die Folge: Der Beitragssatz steigt auf 25,9 Prozent, der nötige Steuerzuschuss auf 169,9 Milliarden Euro.
  • Das Rentenniveau bleibt bis 2040 stabil bei 48 Prozent, das Renteneintrittsalter steigt auf 69 Jahre: Der Beitragssatz würde demnach auf 25,3 Prozent steigen, der Bundeszuschuss auf 167,6 Milliarden Euro.
  • Beitragssatz und Renteneintrittsalter bleiben bis 2040 stabil bei 22 Prozent beziehungsweise 67 Jahren: Das Rentenniveau sinkt auf 40,3 Prozent, der Steuerzuschuss des Bundeshaushalts auf 151,1 Milliarden Euro.
  • Der Beitragssatz bleibt bis 2040 stabil bei 22 Prozent, das Renteneintrittsalter sinkt auf 65 Jahre: Das Rentenniveau schrumpft auf 38,8 Prozent, der Steuerzuschuss im Haushalt auf 150,2 Milliarden Euro.
Die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland 2018 und 2038

Die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland 2018 und 2038

(Foto: Prognos AG)

Man sieht: Wenn das Rentenniveau stabil bleiben soll, müssen Beitragssätze, Renteneintrittsalter und Steuerzuschüsse stark steigen. GDV-Altersvorsorgeexperte Peter Schwark verspricht sich von dem "Rentenminister"-Tool vor allem eines: "Wir wollen für jedermann Transparenz schaffen, um für Realismus zu werben, was die Erwartungen bei der eigenen Rente betrifft." Das soll auch heißen: Ohne private Rentenversicherung wird es nicht gehen. Das dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft das Tool entwickelt hat.

An der Grundaussage ändert dies jedoch wenig: Die Bundesregierung hat vier Stellschrauben, um die Entwicklung der Renten zu beeinflussen. Prognos-Vize Ehrentraut sieht vor allem in der Lebensarbeitszeit einen positiven Faktor. Eine weitere Verlängerung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre habe gleich vier Vorteile: längere Beitragszahlungen und höhere Rentenansprüche der Einzahler, eine Entlastung des Bundeshaushalts und eine höhere Zahl von Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt. "Der demografische Wandel lässt sich nicht wegreformieren. Die Menschen sind alle schon da." Schwark mahnt die Rentenkommission, ihren Blick weit in die Zukunft zu richten. Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit hält er für unproblematisch. Das gesundheitliche Potenzial der Menschen habe sich verändert. "Was früher 60 war, ist heute 70", sagt er. "Wir brauchen ein anderes Leitbild." Die Kommission müsse sich über entsprechende Modelle in der Arbeitsvertragsgestaltung Gedanken machen.

Steigende Beiträge, sinkendes Niveau, höheres Eintrittsalter oder eben eine Kombination davon - diese Möglichkeiten sehen Schwark und Ehrentraut. Eine Erhöhung des Bundeszuschusses sehen sie dagegen kritisch. Zum jetzigen Zeitpunkt fließe bereits ein Drittel des Bundeshaushalts in die Rente. "Die Kosten des demografischen Wandels werden auf den Steuerzahler umgewälzt", sagt Schwark. Gemeinsam mit Ehrentraut richtet er deshalb verschiedene Erwartungen an die Rentenkommission. Sie regen etwa Änderungen bei der Riester-Rente an. Die Definition des förderberechtigten Personenkreises ist aus ihrer Sicht zu kompliziert. Sinnvoll sei auch eine Renteninformation, die einen Gesamtüberblick über gesetzliche, betriebliche und private Renten-Erwartungen biete.

Nichtsdestotrotz gibt Ehrentraut schließlich zumindest ein bisschen Entwarnung. "Es wird immer leicht der Eindruck erweckt, die Renten würden sinken. Das stimmt aber nicht, sie steigen. Sie wachsen nur weniger schnell als die Löhne."

Quelle: ntv.de

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