Politik

Druck vor Diesel-Gipfel wächst Städte fordern Hardware-Umrüstungen

Viele Städte sorgen sich um die schlechte Luft und mögliche Fahrverbote - hier ein Feinstaubalarm in Stuttgart im vergangenen November.

Viele Städte sorgen sich um die schlechte Luft und mögliche Fahrverbote - hier ein Feinstaubalarm in Stuttgart im vergangenen November.

(Foto: dpa)

Die Luftbelastung in manchen Städten treibt die Kommunen um. Vor dem Diesel-Gipfel im Kanzleramt stellen sie klare Forderungen an die Kanzlerin. Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Nachrüstungen an Autos - was Merkel bisher ablehnt.

Vor dem Spitzentreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag fordern die Kommunen sofortige Hardware-Nachrüstungen für ihre Dieselfahrzeug-Flotten sowie mehr Geld vom Bund. "Die bisher geplanten 500 Millionen Euro für einen Mobilitätsfonds sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der "Passauer Neuen Presse". Städtetagspräsidentin Eva Lohse verlangte rasche Nachrüstungen von Autoherstellern.

Die Kommunen hätten rund 250.000 Fahrzeuge in ihren Fuhrparks, mehr als 90 Prozent davon mit Dieselmotoren. "Diese Dieselfahrzeuge sollten jetzt mit Blue Tec und Harnstoffkatalysatoren nachgerüstet werden", forderte Landsberg sofortige Hardware-Nachrüstungen. Damit könne der Stickoxid-Ausstoß dieser Wagen um rund 90 Prozent verringert werden. "Das wäre ein großer Schritt und würde die Stickstoffbelastung in den Kommunen reduzieren." Die Autoindustrie müsse eine schnelle Umrüstung unterstützen.

Die Umstellung auf Elektromobilität könne hingegen nur mittel- und langfristig erfolgen und werde auch deutlich teurer, sagte Landsberg. Bei Kaufprämien für Elektroautos sollten sich die Hersteller vor allem auf die Fahrzeuge von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden konzentrieren, forderte er.

"Mobilität umweltfreundlicher gestalten"

Mehrere Städte verlangten vom Bund mehr Unterstützung gegen hohe Luftverschmutzung. Unter anderem forderten Kiel, Hamburg, Köln, Düsseldorf und Heilbronn konkrete Maßnahmen, um die Luft zu verbessern. "Ich erhoffe mir, dass der Bund die Kommunen mit der Problematik nicht allein lässt", sagte der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. Wesentliche rechtliche und technische Fragen könne nur der Bund lösen. Kämpfer forderte auch mehr finanzielle Unterstützung, "damit wir Mobilität umweltfreundlicher gestalten können".

Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte bereits eine Erhöhung des beim Dieselgipfel beschlossenen Mobilitätsfonds ins Spiel gebracht. Bisher vorgesehen ist ein Volumen von 500 Millionen Euro, wovon der Bund die Hälfte gibt. Den Rest sollen Autokonzerne beisteuern.

Kölns Stadtoberhaupt Henriette Reker sagte, Autoindustrie und Bund sollten Maßnahmen zur deutlichen Reduzierung der Belastung ergreifen. "Das heißt nicht nur eine Software-Lösung, sondern auch eine Hardware-Lösung." Solche Umbauten an Motoren lehnt die Autobranche ab. Auch Merkel hatte Zweifel geäußert. Man müsse "sehr genau überlegen, ob eine solche Nachrüstungspflicht für Motoren wirklich die Resultate bringt, die wir brauchen", sagte sie kürzlich dem "Spiegel". Bundesumweltministerin Barbara Hendricks dagegen hält diese Umbauten für nötig. Sie rief Autobranche, Städte, Bund und Länder zu gemeinsamen Anstrengungen auf.

Die Präsidentin des Deutschen Städtetags kündigte an, sie werde die Bundesregierung auffordern, die Blaue Plakette für Autos in Innenstädten einzuführen. Zwar wollten die Städte Fahrverbote vermeiden, sagte Lohse dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Doch wenn die Grenzwerte weiter nicht eingehalten würden, sei zu befürchten, dass Gerichte von einzelnen Städten Fahrverbote verlangten, so Lohse. Die Blaue Plakette werde gebraucht, um schadstoffarme Autos zu kennzeichnen und eventuelle Fahrverbote zu kontrollieren.

"Schadstoffe an der Quelle bekämpfen"

Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Lohse: "Die Schadstoffe an der Quelle zu bekämpfen, muss oberstes Gebot sein." Die Autos müssten einhalten, "was die Hersteller versprechen. Da ist viel Vertrauen verloren gegangen". Wegen laufender Gerichtsverfahren dränge die Zeit zur Nachrüstung der Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge. Fahrverbote für ältere Dieselautos, wie sie etwa Stuttgart für Tage mit hoher Feinstaubbelastung diskutiert, sind hoch umstritten. Der Düsseldorfer OB Thomas Geisel kritisierte, das Problem der Schadstoffbelastung gehe auf ein Versagen des Bundes zurück - nämlich auf eine unzureichende Regulierung bei Zulassungsvoraussetzungen für Dieselfahrzeuge.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter warf Merkel "Kumpanei mit den Konzernen auf Kosten der Gesundheit und der Verbraucher" vor. Die Kanzlerin riskiere "nicht nur Fahrverbote für Millionen von Dieselautos, sondern stößt auch die Halter von Dieselfahrzeugen vor den Kopf, die ohne technische Nachrüstungen massive Wertverluste zu befürchten haben", erklärte Peter.

Neben Merkel nehmen an dem Spitzentreffen am Montag in Berlin Vizekanzler Sigmar Gabriel und eine Reihe von Fachministern teil. Aus den Ländern werden unter anderem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann erwartet. Außerdem sind Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie die Bürgermeister von mehr als 20 betroffenen Städten eingeladen.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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