"Ein Land mit sehr viel Potenzial" Städtetag sieht Kapazitäten für Flüchtlinge
28.07.2015, 11:24 Uhr
In Dresden werden einige Flüchtlinge notdürftig in Zelten untergebracht.
(Foto: imago/Thomas Müller)
Vielerorts werden Flüchtlinge in Notunterkünften oder Zelten untergebracht. Sogar von einem Kollaps des Aufnahmesystems soll die Rede sein. Der Geschäftsführer des Städtetages sieht das anders. Er warnt vor Panikmache, fordert aber auch Finanzhilfen.
Der Städtetag sieht noch viele Kapazitäten zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge in Deutschland. "Es wird vor Ort immer schwieriger, die Provisorien werden häufiger, aber einen Kollaps sehe ich nicht auf uns zukommen", sagte der Geschäftsführer des Städtetages, Stephan Articus, der "Passauer Neuen Presse".
Er bezog sich dabei auf Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker hatte angesichts des Anstiegs der Flüchtlingszahlen intern angeblich vor einem "Kollaps" des Aufnahmesystems für Asylbewerber gewarnt.
"Wir sind ein Land mit sehr viel Potenzial, auch ungewöhnliche Situationen zu meistern. Panikmache hilft dabei nicht, das sieht der Bundesinnenminister sicher genauso", sagte Articus. Es gelte weiterhin, dass die Städte bereit seien, Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten und politisch Verfolgte aufzunehmen. Die Aufnahme der Flüchtlinge sei aber eine gewaltige Herausforderung für die Kommunen, "deshalb gibt es auch immer wieder Hilferufe der Kommunen an Bund und Länder".
Lob für Vorschlag der Pro-Kopf-Pauschale
Die Zusage des Bundes, sich ab 2016 strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten zu beteiligen, sei sehr wichtig, sagte Articus weiter. "Diese Unterstützung muss möglichst bald konkretisiert werden, damit die Kommunen stärker entlastet werden." Auch die Länder sollten ihre sehr unterschiedliche Kostenerstattung gegenüber den Kommunen vereinheitlichen.
Die von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller ins Gespräch gebrachte Pro-Kopf-Pauschale für Flüchtlinge, die der Bund anstelle von festen Beträgen an die Länder zahlen sollte, bezeichnete Articus als "gute Möglichkeit der stärkeren Kostenübernahme durch den Bund". Ein anderer Lösungsweg könnte sein, "dass der Bund die Kosten bis zum Abschluss des Asylverfahrens übernimmt".
Das Deutsche Rote Kreuz sieht bereits mit Besorgnis, dass Kommunen wegen Platzmangel immer mehr Flüchtlinge in Zeltstädten unterbringen müssen. Dies könne nur eine befristete Notlösung bis Oktober sein, dann werde es zu kalt, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Der frühere Bundesinnenminister appellierte an die Behörden, für feste Wohnunterkünfte mit Mindeststandards zu sorgen.
Weitere Balkan-Länder als sicher einstufen?
Derweil sprach sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dafür aus, weitere Balkanländer zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Dies habe einen dämpfenden Effekt bei der Einwanderung, sagte eine Sprecherin der Behörde der "Mitteldeutschen Zeitung". In den Monaten nach der Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina im Dezember 2014 als sichere Herkunftsstaaten sei die Zahl der Asylbewerber aus den drei Ländern nur noch um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Für Albanien, Montenegro und das Kosovo habe der Anstieg dagegen bei 515 Prozent gelegen, sagte die Sprecherin. Mehrere Politiker von Union und SPD hatten in den vergangenen Tagen die Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsstaaten gefordert. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen schloss dies nicht grundsätzlich aus, sofern die Regierung belegen könne, dass die Einstufung der anderen drei Balkanländer zu einem Rückgang der Asylbewerberzahlen aus diesen Staaten geführt habe.
Asylanträge von Bürgern aus sicheren Herkunftsstaaten werden in der Regel als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, da in solchen Staaten eine politische Verfolgung als ausgeschlossen gilt.
Quelle: ntv.de, mli/AFP