Politik

EU-Talk bei "Anne Will" Steht Europa auf der Kippe?

Anne Wills Gäste, von links nach rechts: Ulrike Guérot, Wolfgang Sobotka, Ursula von der Leyen und Dirk Schümer

Anne Wills Gäste, von links nach rechts: Ulrike Guérot, Wolfgang Sobotka, Ursula von der Leyen und Dirk Schümer

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Österreich schrammt knapp an einem rechtspopulistischen Politiker als Präsident vorbei, in Italien sägt sich Regierungschef Renzi selbst ab und könnte eine neue Staatskrise auslösen. Die EU bröckelt an allen Ecken und Enden. Ist sie noch zu retten?

Einen Schritt vor, zwei Schritte zurück. So oder ähnlich könnte das Fazit am Ende eines Tages lauten, der von gleich zwei richtungsweisenden Wahlen geprägt ist: Während die österreichischen Wähler sich überraschend deutlich gegen den rechtspopulistischen Norbert Hofer als zukünftigen Präsidenten entscheiden, strafen die Italiener Matteo Renzi ebenso klar ab. Der Regierungschef kündigt direkt nach Bekanntwerden des gescheiterten Verfassungsreferendums an, schon am Montag zurückzutreten.

Dass Italien die EU in ihre nächste Krise stürzen könnte, ist zu Anne Wills Live-Sendung am Sonntagabend zwar noch nicht klar, wird aber befürchtet. Passendes Thema der Sendung: Kann es mit Europa weitergehen - und wenn ja, wie? Zu Gast sind Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der CDU, der österreichische Innenminister und ÖVP-Politiker Wolfgang Sobotka, die Europapolitik-Professorin Ulrike Guérot sowie der Europa-Korrespondent der "Welt", Dirk Schümer.

"Hofer hat ein dezidiert menschenverachtendes Vokabular"

"Das Abendland wäre nicht untergegangen, wenn Herr Hofer Präsident geworden wäre - immerhin ist die FPÖ im Parteienkonzert Österreichs mittlerweile völlig normal", kontert Schümer die schon im Thema mitschwingende Angst vor einem Zerfall Europas beim Erstarken der neuen Rechten. "Die fesche Braut wird umworben, die FPÖ ist im Aufstieg begriffen und damit quasi in der Mitte der Gesellschaft angekommen", fügt der Journalist hinzu und setzt noch eins obendrauf:  "Die Österreicher hatten gar keinen Grund mehr, die FPÖ zu wählen, nachdem die Grenzen in einer Nacht- und Nebelaktion zugemacht worden sind." Alles halb so schlimm also?

Ein abgestrafter Europafreund: Matteo Renzi

Ein abgestrafter Europafreund: Matteo Renzi

(Foto: picture alliance / dpa)

Von wegen: "Das ist schon fast eine Verhöhnung der Wählerinnen und Wähler", entfährt es der Bundesverteidigungsministerin, und auch die Demokratieforscherin Guérot will davon nichts hören: "Herr Hofer hat ein dezidiert menschenverachtendes Vokabular verwendet, da können Sie doch nicht einfach beide Kandidaten einander gleichstellen!" Nicht ganz so klar positionieren will sich der österreichische Innenminister, der stattdessen einen Umweg versucht: "Ich glaube, der Innenminister hat nicht zufrieden zu sein, wer Präsident wird. Ich denke aber, dass Österreich ein starkes Signal, ein starkes Ja zu Europa gezeigt hat."

Aber was genau bedeutet dieses Ja zu Europa nun? Anne Will, die ihre Gäste an diesem Abend ungewohnt aggressiv angeht und oft dazwischen funkt, will nun genau wissen, wo eigentlich das Problem der 46 Prozent aller Österreicher liegt, die für Hofer gestimmt haben. Die Diskussionsteilnehmer streiten darüber zwar intensiv, wirklich Neues kommt aber nicht zutage: "Es ist sicher auch ein Ausdruck dessen, dass man mit der Politik der etablierten Parteien nicht einverstanden ist", stellt Sobotka fest, während Schümer eher das Gesamtbild ins Auge fasst: "Die EU taugt als Feindbild, weil sie in den vergangenen 15 Jahren enorm viele Fehler gemacht hat."

"Ein Europa für die Schönwetterpolitik"

Die Probleme sind also altbekannt, wie aber könnte eine Lösung aussehen? "Wir sprechen nur über Brexit, Grexit und Frexit, reden aber nicht darüber, wie ein anderes Europa aussehen kann. Denn die meisten, die gegen die EU sind, sind nicht gegen Europa", stellt Guérot fest, die von der EU mehr Verantwortung in entscheidenden Dingen fordert. In dieselbe Kerbe schlägt von der Leyen: "Ich glaube, dass die Menschen sich eine EU wünschen, die sich um die großen Dinge kümmert, nicht um die kleinen: Die Umgehungsstraße muss eine kommunale Angelegenheit sein." Und Österreichs Innenminister findet sogar noch klarere Worte für das Problem: "Wir haben ein Europa für die Schönwetterpolitik, und immer dann, wenn's ernst wird, ist keiner mehr zuständig."

Bis auf Schümer, der mehr Einflussnahme von Seiten der EU für das sichere Ende der Europäischen Gemeinschaft hält, sind sich die Talkteilnehmer also einig: Die EU muss mehr Verantwortung übernehmen. Dass nicht alles schlecht ist im heutigen Europa, will von der Leyen zum Schluss der Sendung aber noch einmal klarstellen: "Wo auf der Welt sind die Menschen am besten aufgehoben, wenn sie arm, alt oder krank sind? In Europa, und diesen Zustand müssen wir erhalten."

Quelle: ntv.de

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