Der Junge, der zum IS ging Syrien-Rückkehrer steht vor Haftstrafe
05.12.2014, 06:07 Uhr
Ist er ein "Schläfer" oder einfach ein fehlgeleiteter Jugendlicher, der auf die Terrormiliz IS reinfiel? Kreshnik B. vor Gericht.
(Foto: AP)
Als Junge kickte Kreshnik B. für einen jüdischen Fußballverein, dann radikalisierte er sich und stieß zur Terrormiliz IS. Jetzt steht er in Frankfurt vor Gericht, irritiert mit Äußerungen zu Enthauptungen - und muss sich auf mehrere Jahre Haft einstellen.
Kreshnik B. weiß, was auf ihn zukommt: Der 20-Jährige wird im ersten deutschen Prozess gegen einen Syrien-Rückkehrer an diesem Freitag voraussichtlich zu einigen Jahren Haft verurteilt. Wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) erwartet den Heranwachsenden eine Haftstrafe zwischen dreieinviertel und viereinviertel Jahren.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben in rund 40 Verfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft oder der Unterstützung einer ausländischen Terrorvereinigung. Neben dem Frankfurter Oberlandesgericht verhandelt zurzeit auch das Stuttgarter OLG wegen Mitgliedschaft und Unterstützung des IS. Drei Männer im Alter von 24 bis 38 Jahren sind angeklagt. In Düsseldorf gibt es eine Anklage gegen zwei Frauen und einen Mann wegen Unterstützung des IS.
Auf dieses Strafmaß hatten sich das Oberlandesgericht Frankfurt, die Bundesanwaltschaft und die Verteidigung zuvor nach dem Jugendstrafrecht verständigt. Der Anklagepunkt, eine schwere staatsgefährdende Straftat im Ausland vorbereitet zu haben, wurde nach der Vereinbarung fallen gelassen. Voraussetzung für die Verabredung war eine umfassende Aussage des ehemaligen Frankfurter Schülers.
Danach sah es zunächst allerdings nicht aus. Erst am dritten von sieben Verhandlungstagen brach der Angeklagte sein Schweigen und ließ seinen Anwalt eine sechsseitige Erklärung vorlesen. "Ich habe es als meine Pflicht angesehen, nach Syrien zu gehen, um mich gegen die Unterdrückung und Tyrannei dort zu stellen", lautet einer der Kernsätze.
Treueeide auf den IS geschworen
Vom vierten Verhandlungstag an antwortete der immer leger gekleidete Mann selbst auf die Fragen des Staatsschutzsenats und der Bundesanwaltschaft. Er gestand, er habe zwei Treueeide auf den IS geschworen, sei am Sturmgewehr ausgebildet worden und habe eine Ausbildung als Scharfschütze angestrebt. Er sei auch bei zwei Kampfeinsätzen dabei gewesen. Allerdings habe er meist hinten gestanden und nicht gekämpft. "Ich habe nicht auf Leute geschossen."
Weshalb kam er zurück? "Ich wollte nicht gegen andere Muslime kämpfen, die sich gegen das Assad-Regime gestellt hatten." Trotz der Antworten blieb vieles vage, vor allem die Frage, wie sich der Jugendliche mit dem Realschulabschluss als Berufsfachschüler im Haushalt seiner Eltern radikalisierte. Seine Eltern und seine beiden älteren Schwestern stammen aus dem Kosovo, Religion spielte zu Hause aber keine große Rolle, und Kreshnik kickte einige Zeit in einem jüdischen Fußballverein.
Im Frankfurter Verfahren irritierte der Angeklagte die Zuhörer einige Male mit seinen Aussagen, so etwa mit dem Satz: "Als Märtyrer zu sterben, wäre mein Wunsch; aber das werde ich nicht schaffen." Erschrocken reagierte das Publikum auf Kreshniks Antwort, als der Vorsitzende Richter wissen wollte: "Ist Kopfabhacken gut?" Seine Antwort: "Kommt darauf an, für welche Sünde."
"Körperlich ist der Angeklagte aus Syrien zurück. Seine Wertvorstellungen sind aber noch nicht wieder in Deutschland angekommen", formulierte es BGH-Staatsanwalt Dieter Killmer in seinem Plädoyer. Er äußerte sich besorgt über die Verführbarkeit des Angeklagten, der vor seiner Ausreise noch nie Verantwortung übernommen habe. Killmer fordert die nach der Vereinbarung mit Gericht und Verteidigung höchstmögliche Strafe von viereinviertel Jahren - und dass Kreshnik die Kosten für das Verfahren übernimmt.
Anwalt Mutlu Günal hält höchstens das vereinbarte Minimum von dreieinviertel Jahren für angemessen. Kreshnik sei nicht nach Syrien gegangen, "weil er es toll fand, dass da Leute enthauptet werden, sondern weil er Leute retten wollte". Und: "Er ist nicht zurückgekommen, weil er ein 'Schläfer' ist, sondern weil er nicht mehr wollte."
Quelle: ntv.de, Ira Schaible, dpa