Propaganda im Bürgerkrieg Syriens schöne Seifenopernwelt
27.07.2012, 09:03 Uhr
Voller Einsatz für einen straffen Bauch beim Frühstückssport auf "Television in Syria".
Serien, Kochshows, Frühstücksfitness – wer in Syrien das Staatsfernsehen einschaltet, sieht ein ziemlich buntes Programm. Nur eine Farbe fehlt: rot. Die blutigen Konflikte im Land spart Assads Propaganda-Apparat abgesehen von ein wenig Hurrapatriotismus konsequent aus.
Die USA erwarten ein Israel fürchtet sich vor den von Baschar al-Assad. Die Türkei erwägt gar einen Die Lage in dem bürgerkriegsgeschundenen Land ist dramatisch. Dieses Bild herrscht zumindest im Ausland vor. Ganz anders ist das im syrischen Staatsfernsehen. Wer in Idlib oder Aleppo, Damaskus oder Homs dieser Tage die Flimmerkiste anknipst, muss sich die Frage stellen, ob der blutige Konflikt im Land wirklich Realität ist. Assad liefert sich mit der Opposition auch einen Propagandakrieg.

Fröhliche Gesichter vor einem ruhigen Stadtpanorama - so sieht das Staatsfernsehen in Syrien dieser Tage aus.
Mehr als 16 Monate nach Beginn der Revolte gegen Staatschef Assad veranlassten erst der tödliche Anschlag vom 18. Juli auf den engsten Führungszirkel und die Ausweitung der Kämpfe auf Damaskus den Sender, überhaupt über die bedrohlichen Ereignisse zu berichten. Ansonsten gilt: Während Syrien brennt, wird der Zuschauer mit Seifenopern, Diätshows oder Aerobic-Programmen ruhiggestellt.
Nach dem Anschlag, bei dem , wurde der Ton im Staatsfernsehen dann etwas ernster. Erstmals waren die Leichen von Rebellen zu sehen, daneben Bilder von Soldaten, die stolz erklärten, die Stadtviertel der Hauptstadt "auf Geheiß der Einwohner von Terroristen gesäubert" zu haben. Der Öffentlichkeit sollte einmal mehr versichert werden, dass sich Syrien einer "Verschwörung" ausgesetzt sehe und dass "Terroristen" Chaos verbreiten wollten.
Heftiger Hurrapatriotismus
In den Tagen danach wurde der Hurrapatriotismus immer heftiger: Zu sehen sind kampferprobte Soldaten, die ein Spezialtraining absolvieren, unterlegt sind die Bilder von den "mutigen Streitkräften" mit patriotischer Musik. Doch diese Berichterstattung war eine Ausnahme.
Während landesweit immer mehr Blut fließt, wacht der Zuschauer des Staatsfernsehens zu Bildern eines jungen Mannes auf, der erklärt, "wie man einen Bizeps und einen Trizeps trainiert" - "Enjoy a healthy life" (Genieße ein gesundes Leben) ist im Hintergrund auf Englisch zu lesen. Anschließend erfährt der Zuschauer alles über die "Vorteile von Vollkornbrot", "Straußenfarmen in Syrien", "die Wiederbelebung orientalischer Musik", "Antiquitätenausstellungen in Aleppo" oder "Kochen im Ramadan".
Kurz vor Beginn der Gefechte in der syrischen Hauptstadt informierte das Staatsfernsehen den Zuschauer in einem Bericht auf Englisch über den "so bezaubernden Sommer in Damaskus, dank der Jacaranda-Bäume". Auch als die Kämpfe im Stadtteil Midan wüteten, versicherte das Staats-TV, dass "alles in Ordnung" sei. Ein immerhin vor Ort entsandter Reporter interviewte sichtlich eingeschüchterte Autofahrer und bewertete die Situation danach als "ruhig" - als im Hintergrund Explosionen und Schüsse zu hören waren.
"Unsere Stimme ist lauter, unser Bild ist klarer"
Inzwischen scheinen selbst Assad-Unterstützer das Staatsfernsehen nicht mehr ernst zu nehmen. "Wir unterstützen auf jeden Fall die Regierung und die Armee, aber die Sender sagen definitiv nicht die Wahrheit", sagt der Lebensmittelhändler Bassam aus Damaskus. Ahmed, ein nach Beirut geflohener junger Syrer, sagt: "Sie wollen uns für dumm verkaufen." Selbst eine syrische Regierungsanhängerin in Beirut räumt ein: "Sie übertreiben - sie sprechen weder von den Demonstrationen noch über die Opposition."
In den sozialen Netzwerken im Internet kursieren schon Witze über Soldaten, die an Absperrungen patroulieren und Zivilisten vorwerfen, sich in Gefahrenzonen begeben zu haben - weil sie als Rezipienten des Staatsfernsehens die Situation verkannt haben.
Die Führungsriege in Damaskus hält trotzdem an dem Programm fest und attackiert gar die Konkurrenz. Die arabischen Satellitensender Al-Dschasira und Al-Arabija, die kontinuierlich über den Konflikt berichten, verschmäht sie. Der Slogan des syrischen Staatsfernsehens heißt: "Unsere Stimme ist lauter, unser Bild ist klarer."
Quelle: ntv.de, Rana Moussaoui, AFP/ieh