Zeremonie in Kabul angekündigt Taliban planen offenbar Regierung mit 25 Ministerien
03.09.2021, 20:38 Uhr
Taliban-Kämpfer bei der Einnahme des Präsidentenpalasts in Kabul am 15. August: Hier soll auch die Zeremonie für die neue Regierung stattfinden.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Taliban arbeiten derzeit an ihrem Kabinett. Insider berichten, dass 25 Ministerien geplant sind. Geistliches Oberhaupt soll ein Mann werden, den einige für tot halten. Wichtige Rollen übernehmen der Politbürochef Baradar und der ehrgeizige Sohn des Taliban-Gründers, Jakub.
Knapp drei Wochen nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nimmt die Regierung der radikalen Islamisten Form an. Der Chef des Taliban-Politbüros, Mullah Baradar, werde die Regierung in Kabul leiten, verlautete am Nachmittag aus Taliban-Kreisen. Der Sohn des gestorbenen Taliban-Gründers Mullah Omar, Mullah Mohammed Jakub, werde eine hochrangige Position in der Regierung einnehmen, sagten drei Insider. Jakubs Ansehen leitet sich vor allem von dem seines Vaters ab. Er selbst hat mit Anfang 30 nicht die langjährige Kampferfahrung, auf der die Autorität anderer Taliban-Anführer gründet. Seit dem vergangenen Jahr leitete er allerdings als Chef der Militärkommission der Taliban alle ihre Operationen in Afghanistan.
Mit der Vorstellung einer Taliban-Regierung wird in Kürze gerechnet. Zuvor hatten Taliban-Vertreter erklärt, dafür werde eine Zeremonie im Präsidentenpalast von Kabul vorbereitet. Aus Taliban-Kreisen verlautete weiter, die neue Regierung werde 25 Ministerien umfassen. Der Regierung werde außerdem ein Beirat bestehend aus zwölf muslimischen Gelehrten zur Seite stehen. Binnen sechs bis acht Wochen soll zudem die Versammlung der Loja Dschirga zusammenkommen, in der Vertreter der Regionen und der Zivilgesellschaft über eine Verfassung beraten sollten.
Der oberste Anführer der Taliban solle die Rolle eines geistlichen Regierungsoberhaupts übernehmen, sagte ein Insider. Da Achundsada sich seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul Mitte August nicht öffentlich geäußert hat, machten allerdings bereits Gerüchte die Runde, er lebe nicht mehr. Der Rechtsgelehrte folgte auf den früheren Taliban-Chef Mullah Achtar Mansur, der 2016 bei einem Drohnenangriff der USA ums Leben kam.
Achundsada führte rivalisierende Gruppen innerhalb der Bewegung zusammen und versuchte, mit einer Neubesetzung führender Positionen seine Macht zu konsolidieren. Nach Angaben der Vereinten Nationen war Achundsada oberster Justizchef während der Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001. Einer von Achundsadas Söhnen starb 2017 bei einem Selbstmordanschlag auf einen afghanischen Militärstützpunkt.
Als Politbürochef der Taliban während der Friedensgespräche mit den USA im Emirat Katar ist Baradar einer der prominentesten Vertreter der Islamistengruppe. Während der früheren Taliban-Herrschaft in Afghanistan war er stellvertretender Verteidigungsminister. Anschließend befehligte er nach Angaben der Vereinten Nationen Taliban-Kämpfer bei Angriffen auf die Streitkräfte der USA und ihre Verbündeten in Afghanistan. Von 2010 bis 2018 war er in Gefangenschaft in Pakistan. Er war ein enger Freund des einstigen Taliban-Anführers Mullah Mohammed Omar. Dieser gab ihm den Kampfnamen "Baradar", auf Deutsch "Bruder".
Nach einem Bericht des Senders Al Dschasira traf in Kabul ein Vertreter des Außenministeriums von Katar ein. Ziel des Besuchs sei die schnelle Wiedereröffnung der zivilen Luftfahrt am Flughafen. Angesichts eines drohenden Zusammenbruchs der Wirtschaft sind die Taliban darauf angewiesen, dass internationale Geldgeber der Führung Legitimität zusprechen. Die USA und die EU haben eine förmliche Anerkennung der Regierung davon abhängig gemacht, dass die Islamisten ihren Ankündigungen zum Schutz von Menschenrechten Taten folgen lassen. Mit der Regierungsbildung in Kabul wächst der Druck auf den Westen, über eine Anerkennung einer Taliban-Regierung zu entscheiden.
Bundesregierung hält sich bedeckt
Die Bundesregierung wollte sich zu den Personalien nicht äußern. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, dass sich die Taliban öffentlich noch nicht geäußert hätten. Die Bundesregierung wies darauf hin, dass die staatliche Zusammenarbeit zwischen den Regierungen in Berlin und Kabul offiziell ausgesetzt sei.
Die EU-Staaten wollen auf der Suche nach Kontakten zu den Taliban koordiniert vorgehen. "Wir haben entschieden, das abgestimmt zu machen, einschließlich einer gemeinsamen Präsenz in Kabul", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beim Treffen der EU-Außenminister im slowenischen Bdro. Voraussetzung einer Präsenz in der afghanischen Hauptstadt sei, dass dies die Sicherheitslage zulasse. Zudem wolle die EU mit Partnern in der Region zusammenarbeiten, was die Themen Flüchtlinge und Organisierte Kriminalität angehe.
Der britische Außenminister Dominic Raab sagte bei einem Besuch in Pakistan, sein Land werde die Regierung der Taliban nicht anerkennen, müsse aber mit der neuen Realität umgehen. Man müsse mit den neuen Machthabern in Kabul reden. Auch müsse ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zusammenbruch Afghanistans verhindert werden. Die Taliban hätten eine Reihe von Entwicklungen durchgemacht, "einige davon sind zumindest in Worten positiv", sagte Raab. "Wir müssen sie jetzt testen und schauen, ob das auch zu Taten führt."
Quelle: ntv.de, mau/rts