Schäuble packt aus Trittin ließ Schwarz-Grün platzen
11.09.2017, 07:53 Uhr
Wolfgang Schäuble (l.) und Jürgen Trittin bei einer Bundestagssitzung im Jahr 2012
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach der Bundestagswahl 2013 war eine Koalition zwischen Union und Grünen schon zum Greifen nahe - bis der damalige Spitzenkandidat der Grünen dazwischengrätschte. Kommt vier Jahre später alles anders?
Der 16. Oktober 2013 gilt als Geburtsstunde der Großen Koalition: An diesem Tag scheiterten die Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen und machten den Weg für Schwarz-Rot frei. Etwas anderes hatten die allermeisten damals auch nicht erwartet, zu groß waren angeblich die inhaltlichen Differenzen zwischen CDU/CSU und Grünen. Bei "Anne Will" verrät Finanzminister Wolfgang Schäuble nun, dass vor allem ein Mann für die Absage der Ökopartei an eine gemeinsame Regierungsverantwortung verantwortlich zeichnet.
Jürgen Trittin habe Schwarz-Grün verhindert, fasst Schäuble das Ergebnis der Sondierungsverhandlungen 2013 zusammen. Der damalige Spitzenkandidat der Grünen soll sich gegen den Willen der meisten anderen Gesprächsteilnehmer gestellt und einer Koalition trotz positiver Signale aus der Union eine Absage erteilt haben.
Die Union habe den Grünen eine Koalition angeboten. Daraufhin hätten die Grünen sich Bedenkzeit erbeten und dreieinhalb Stunden lang intern diskutiert. Danach hätten sie sich "verweigert", hält Schäuble Grünen-Chef Cem Özdemir vor, mit dem er zusammen bei "Anne Will" darüber diskutiert, wie die Chancen für eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl am 24. September stehen. Trittin habe nach stundenlangen Sondierungsgesprächen gemerkt, "das könnte ja zu einer Koalition führen, und da hat er eingegriffen".
In Hintergrundgesprächen erzählen CDU-Politiker diese Geschichte schon seit vier Jahren. Özdemirs Reaktion lässt sie nun ziemlich wahrscheinlich erscheinen. Er hört interessiert zu und widerspricht nur halbherzig. CSU-Chef Horst Seehofer habe die Große Koalition gewollt und Schwarz-Grün verhindert, wirft er ein. "Das stimmt ja nicht", erwidert Schäuble. Seehofer habe gesagt: "Sie brauchen nur Ja zu sagen, wir sind so weit." Doch Trittin habe nicht gewollt. Jetzt widerspricht Özdemir nicht mehr.
Wie enttäuscht zumindest einige aus der ersten Grünen-Riege von Trittins Alleingang waren, zeigt die damalige Reaktion eines Mitgliedes der Sondierungsrunde, dessen Namen weder Schäuble noch Özdemir verraten: "Wenn Sie mit der SPD gar nicht hinkommen, dann können wir nochmal telefonieren", soll er oder sie gesagt haben. Es kam hin, soviel ist bekannt - und die Sozialdemokraten drückten nicht wenige der Forderungen durch, wegen derer es damals angeblich nicht mit Schwarz-Grün geklappt hatte: den Mindestlohn beispielsweise oder eine Öffnung bei der Gesellschaftspolitik, Stichwort Ehe für alle. Perfekte Voraussetzungen also für einen erneuten Anlauf?
"Es gibt Situationen in der Geschichte, da ist ein Fenster auf oder eine Tür, und die ist dann wieder zu, und ich glaube, heute haben Sie eine Chance verpasst, eine offene Tür", habe Bundeskanzlerin Angela Merkel damals in der Nacht um halb drei gesagt, berichtet Schäuble. Ob dieses Fenster sich nach der Wahl wieder öffnet, lässt der Finanzminister zwar bewusst offen. Eine Äußerung Özdemirs aus der Sondierungsnacht bekommt angesichts der neuen Informationen allerdings eine ganz neue Bedeutung: "Die Tür ist nicht zugenagelt mit Nägeln, die man nicht mehr rauskriegen kann." In den Wochen nach der Wahl wird man sehen, ob die Grünen diesmal das richtige Werkzeug dafür mitbringen.
Quelle: ntv.de