Athen "kann auch anders" Tsipras' "Drohgebärde" kommt nicht gut an
08.04.2015, 05:22 Uhr
Griechenlands Ministerpräsident Tsipras versucht sein Glück in Moskau. Auch wenn keine finanziellen oder wirtschaftlichen Hilfen herausspringen, eines hat er schon vor seinem Antrittsbesuch erreicht: Die Nerven bei den Partnern in der Eurozone liegen blank.
Bei einem zweitägigen Besuch in Moskau will der linke griechische Regierungschef Alexis Tsipras die Zusammenarbeit des krisengeschüttelten EU-Staats mit Russland vertiefen. In Gesprächen mit Kremlchef Wladimir Putin soll es unter anderem um Abkommen in den Bereichen Tourismus und Handel gehen, wie Tsipras' Büro vor dessen Ankunft in Moskau mitteilte. Vor allem dürften aber auch die wegen der Ukraine-Krise und Sanktionen angeschlagenen Beziehungen zwischen der EU und Russland Thema sein.
Beobachter schätzen, Moskau könne versuchen, mit guten Beziehungen zu Athen den harten Russland-Kurs der EU aufweichen zu wollen. Tsipras gilt als Kritiker der EU-Sanktionen gegen das Riesenreich. Brüssel warnte Tsipras vor einer Annäherung an Moskau. Alle Mitgliedstaaten müssten mit einer Stimme sprechen, auch gegenüber Russland, teilte die EU-Kommission mit. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok (CDU), nannte die Russland-Reise des griechischen Ministerpräsidenten eine "Drohgebärde". "Er möchte zeigen, dass Griechenland auch anders könnte", sagte er der " Welt".
"In eine andere Hemisphäre wechseln"
Brok forderte von Griechenlands europäischen Partnern eine klare Linie. Tsipras müsse deutlich gemacht werden, dass er sich an Moskau binden könne, wenn er das wolle. Dann müsse er aber auch sagen, dass er "aus Europa raus und in eine andere Hemisphäre wechseln" wolle. "Die Griechen würden einen solchen Kurswechsel nicht mittragen und sich im Zweifel für Brüssel entscheiden", zeigte sich Brok überzeugt.
Der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, Udo Bullmann, rief Tsipras in der "Welt" dazu auf, die Lösung für den Schuldenstreit in Europa zu suchen. "Die Probleme müssen innerhalb der EU gelöst werden", sagte er. Den Preis, den Europa für eine Eskalation des Konflikts zahlen würde, "sollte niemand unterschätzen", sagte Bullmann.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) warnte Tsipras ebenfalls erneut vor Finanzhilfen aus Russland. Er sagte der "Bild", er wisse zwar nicht, ob Russland Griechenland finanziell unterstütze. Er könne Athen aber "nur raten, die Einigkeit der Europäer nicht aufs Spiel zu setzen". Er forderte vor diesem Hintergrund eine rasche Einigung der EU mit Griechenland in der Finanzfrage. Bereits vor einigen Tagen hatte Schulz angesichts der Reise von Tsipras nach Moskau vor einer Spaltung der EU gewarnt. Jüngst hatte es auch aus Washington diesen Rat in Richtung Athen gegeben, sich mit seinen europäischen Partnern schnell zu einigen.
Sanktionspolitik torpedieren?
Ohne rasche Hilfen droht Griechenland schon bald der Staatsbankrott. Die Euro-Partner und der IWF haben Kredite von 7,2 Milliarden Euro auf Eis gelegt, weil viele Reformauflagen nicht erfüllt sind. Die bisherigen Hilfen für Griechenland belaufen sich auf 240 Milliarden Euro, etwa 55 Milliarden Euro entfallen auf Deutschland.
Einen Antrag auf russische Hilfe gibt es nach Moskauer Regierungsangaben bislang nicht. Aber Griechenland hofft darauf, dass Russland seinen Importstopp für Lebensmittel aus der EU aufhebt. Putin hatte die Einfuhr verboten, nachdem die EU im Ukraine-Konflikt ihre Sanktionen gegen Russland verhängt hatte. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Agentur Interfax zufolge, das russische Lebensmittelembargo gegen die EU werde sicherlich Thema bei den Gesprächen zwischen Tsipras und Putin sein.
Bei seinem Besuch will Tsipras unter anderem auch einen Vortrag in einer Moskauer Universität halten. Treffen sind zudem mit Ministerpräsident Dmitri Medwedew sowie Vertretern der Kirche und griechischer Minderheiten in Russland geplant.
In Brüssel wollen am Mittwoch die Finanzstaatssekretäre der 19 Euroländer zusammenkommen, um über Griechenland zu beraten. Beschlüsse stehen laut Diplomaten nicht an, da Experten in Brüssel und in Athen immer noch über eine Reformliste verhandeln.
Quelle: ntv.de, bad/AFP/dpa