Ibrahim und Kalid El Bakraoui Und wieder ein Geschwisterpaar des Terrors
24.03.2016, 10:25 Uhr
Ibrahim und Kalid El Bakraoui - Es ist nicht das erste Mal, dass islamistisch motivierte Anschläge von Brüdern begangen werden.
Mit Ibrahim und Kalid El Bakraoui sind zwei Brüder in die Terrorattacken von Brüssel verstrickt. Wie bei den Pariser Anschlägen, der Attacke auf "Charlie Hebdo" und wie bei dem Bombenattentat von Boston. Was steckt hinter diesem Phänomen?
Die blutigen Anschläge in Brüssel mit mindestens 31 Toten und rund 260 Verletzten gehen unter anderem auf das Konto der Brüder Ibrahim und Khalid El Bakraoui. Ibrahim sprengte sich in der Abflughalle des Flughafens in die Luft. Sein jüngerer Bruder Khalid zündete einen Sprengsatz in einem U-Bahn-Waggon an der Station Maelbeek.
Vieles spricht dafür, dass auch Ibrahim und Khalid El Bakraoui gemeinsam den Weg der Radikalisierung gegangen sind. Und sie sind ein weiteres Beispiel für ein Phänomen, das schon seit vielen Jahren zu erkennen ist: Terrorismus ist in vielen Fällen eine Familienangelegenheit.
Einen Bezug zu Brüssel haben auch die Brüder Ibrahim und Salah Abdeslam. Die Männer mit belgischer Staatsbürgerschaft lebten seit ihrer Kindheit in der Brüsseler Gemeinde Molenbeek, die als Islamistenhochburg gilt. Beide waren an der Anschlagserie in Paris beteiligt. Der 31-jährige Ibrahim sprengte sich am 13. November am Café Comptoir Voltaire in die Luft. Sein jüngerer Bruder Salah fuhr drei andere Selbstmordattentäter zum Stade de France, wo er sich beim Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Frankreich auch selbst sprengen wollte. Doch kurz vor dem Anschlag machte Abdeslam einen Rückzieher. Der 27-Jährige tauchte unter und konnte erst in der vergangenen Woche gefasst werden.
An dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" im Januar 2015, bei dem zwölf Menschen getötet wurden, waren die Brüder Cherif und David Kouachi beteiligt. Beide wurden zwei Tage nach dem Massaker von der Polizei getötet.
Die beiden Männer, die im April 2013 am Rande des Boston-Marathons eine Bombe zündeten, waren die tschetschenischen Brüder Dschochar und Tamerlan Zarnajew. Tamerlan wurde auf der Flucht, bei der auch ein Polizist erschossen wurde, getötet. Dschochar wurde im Mai 2015 zum Tode verurteilt.
Liegt Radikalismus in der Familie?
Das sind nur die prominentesten Stellvertreter dieser Erscheinung. Solche Fälle gibt es in extremistischen Szenen häufig. Eine Studie des US-Militärgeheimdiensts zeigt: Einen radikalen Islamisten in der Familie zu haben, ist der wichtigste Einflussfaktor bei der späteren Radikalisierung junger Männer.
"Es ist nicht selten so, dass Geschwister sich gemeinsam radikalisieren", sagte Thomas Mücke n-tv.de. Sein "Violence Prevention Network" hat Tag für Tag mit jungen Männern zu tun, die in die islamistische Szene abgleiten. "Die Lebensumstände, die zu einer solchen Entwicklung geführt haben, sind bei Geschwistern meistens sehr ähnlich." Gerade, wenn es im Elternhaus Probleme gibt, halten Brüder oft zusammen: "Hass und Ablehnung entstehen auch in der eigenen Familienbiografie", sagt Mücke. Bei Geschwistern komme es oft zu einem gegenseitigen Verstärken der Radikalisierung.
Tatsächlich zeigen das auch viele Beispiele von Syrien-Reisenden: Fast alle unternehmen diese Reisen mit engen Freunden oder Familienmitgliedern. Oder sie holen ihre Geschwister nach. Abdelhamid Abaaoud, der Terrorplaner von Paris, holte im Januar 2014 seinen kleinen Bruder Younes zu sich nach Syrien. Der IS-Propaganda dient er als perfides Maskottchen: Sie bezeichnet den damals 13-Jährigen als "den jüngsten Dschihadisten der Welt".
Gotteskrieger in der Familie
Wie häufig Geschwister im Dschihad eine Inspiration für westliche Gotteskrieger sind, zeigt eine Untersuchung des US-Thinktanks New America. Demnach haben mehr als ein Viertel derjenigen, die vom Westen aus in den Dschihad ziehen, eine familiäre Verbindung zu jemandem, der bereits in Syrien oder im Irak kämpft.
Und das ist nur logisch: Denn die Rekrutierung in Europa findet im engen Umfeld der jungen Männer statt, die aus verschiedensten Gründen verführbar sind. Durch Freunde, in Moscheen, häufig im Gefängnis durch Zellengenossen - oder eben durch den eigenen Bruder. "Bei Radikalisierungsprozessen beobachten wir immer wieder, dass Extremisten - egal welcher Richtung - erst einmal versuchen, Familienangehörige zu überzeugen. Dann versuchen sie es in der erweiterten Familie und erst dann bei den Freunden", sagt Mücke.
(Hinweis: Der Text erschien bereits in einer ersten Fassung nach den Anschlägen von Paris und wurde nun nach der Brüsseler Attentatsserie aktualisiert.)
Quelle: ntv.de, jog/dsi