Streit um Flüchtlings-Obergrenze Union ringt um Jamaika-Bedingungen
08.10.2017, 15:09 Uhr
Nicht immer einer Meinung: Merkel und Seehofer.
(Foto: imago/photothek)
Die Union streitet zwei Wochen nach der Bundestagswahl über ihre Bedingungen für eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen. Die größte Kontroverse ist dabei die von der CSU geforderte Flüchtlings-Obergrenze. Auch das Leitbild der Union wird diskutiert.
Führende Unionspolitiker stellen sich auf einen langen Sonntag im Adenauer-Haus in Berlin ein: Horst Seehofer dringt - auch angesichts der Wahlerfolge der AfD - auf eine konservative Rückbesinnung der Union. Bei dem Gespräch soll auch der Streit über eine Obergrenze für Flüchtlinge eine zentrale Rolle spielen.
Die Union war bei der Wahl am 24. September zwar stärkste Kraft geworden, hatte aber starke Verluste erlitten und mit 32,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 eingefahren. Nachdem sich die SPD auf eine Oppositionsrolle festgelegt hat, will Merkel mit FDP und Grünen über ein Bündnis verhandeln. Die CDU-Chefin hatte am Samstag erstmals offiziell Jamaika-Gespräche angekündigt. Die Runde im Konrad-Adenauer-Haus stellt sich auf Gespräche bis tief in die Nacht ein. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte zu den wartenden Journalisten: "Habt Ihr Eure Schlafsäcke dabei?"
Auf die Frage, ob die Schwesterparteien vor der schwierigsten Situation seit ihrem Kreuther Trennungsbeschluss von 1976 stünden, antwortete Joachim Herrmann: "Es ist eine nicht ganz einfache Situation." Die CSU sei mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Klar sei aber auch, "dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben, eine möglichst stabile Regierung für die Deutschland zu bilden". Mit der CDU müsse es aber zunächst eine Einigung bei der Begrenzung der Flüchtlingszahlen geben. Die CSU sei auch offen für Gespräche mit den Grünen, sagte Herrmann. Zwischen den Wahlprogrammen gebe es aber "nur eine begrenzte Schnittmenge".
Obergrenze ist der große Streitpunkt
Im Zentrum des Streits unter den Unions-Schwestern steht die von Seehofer verlangte Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Merkel lehnt eine Begrenzung strikt ab, auch mit den Grünen dürfte das in den Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis nicht durchzusetzen sein. In einem Zehn-Punkte-Plan fordert Seehofer eine Hinwendung zu klassisch konservativen Themen wie Leitkultur und Patriotismus, um die gesamte Union auf einen konservativeren Kurs zurückführen. In dem Papier ist der umstrittene Begriff Obergrenze ohne Nennung einer konkreten Zahl in einer Art Überschrift enthalten. Im erklärenden Text wird dann von "Begrenzung" gesprochen. Ob dies eine Brücke für einen Kompromiss zwischen Merkel und Seehofer sein könnte, bleibt zunächst unklar.
Der frühere CSU-Chef Erwin Huber kritisierte die Vorlage des Zehn-Punkte-Plans als "stillos und sinnlos": "Das ist eine Halbstarken-Methode, vorher noch die Muskeln spielen zu lassen. Wir haben große Verluste bei den Wählerstimmen, wir sollten mit mehr Demut in die Gespräche gehen", sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verteidigte das im Grundgesetz festgelegte Recht auf Asyl. "Ein Einwanderungsgesetz alleine wird nicht dazu führen und wird vor allen Dingen keine Gewähr sein dafür, dass wir keine humanitäre Zuwanderung haben", sagt die CDU-Politikerin zum Abschluss des "Deutschlandtags" der Jungen Union in Dresden. Das auszusprechen sei der Unterschied zu populistischen Parteien.
"FDP kein Stützrad"
Man stehe zum Recht auf Asyl. Zudem habe man sich in der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet. Das bedeute aber nicht, dass man Punkte, die nicht funktionierten - etwa bei der Registrierung und der Begrenzung der Zuwanderung - nicht verbessern könnte. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer machte eine Jamaika-Koalition auch vom Klärungsprozess innerhalb von CDU und CSU abhängig. Die FDP könne kein "Stützrad" einer Politik mehr sein, in der es keine größeren Zukunftsvisionen abseits der Tagespolitik gegeben habe, sagte Beer auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen. Eine mögliche Regierungsbeteiligung der Liberalen hänge auch davon ab, ob CDU, CSU, Grüne und FDP "ein Projekt des Aufbruchs" installieren könnten.
Die Grünen fordern von der Union ein baldiges Signal zur Aufnahme von Jamaika-Sondierungen. "Die Sondierungsgespräche, die schwer genug werden, müssen spätestens nach der Niedersachsenwahl beginnen", erklärte Parteichef Cem Özdemir. "Ich kann ja verstehen, dass sich CDU und CSU nach dieser Wahlschlappe erst noch finden müssen, aber die Union darf die schwierige Regierungsbildung nicht wochenlang blockieren." Die drängenden Probleme würden nicht warten.
Quelle: ntv.de, sgu/dpa