"Kein Vertrauensvorschuss mehr" Verfassungsschutz überprüft Ditib-Imame
22.09.2016, 21:21 Uhr
In Nordrhein-Westfalen muss der Verfassungsschutz 97 Imame überprüfen.
(Foto: imago stock&people)
Wegen des umstrittenen Märtyrer-Comics will Nordrhein-Westfalen sämtliche Ditib-Imame vom Verfassungsschutz überprüfen lassen, die in deutschen Gefängnissen mit Häftlingen arbeiten. Ditib selbst sieht darin "reinen Wahlkampfpopulismus".
Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty hat angekündigt, alle Imame der Türkisch-Islamischen Union Ditib, die in den Gefängnissen des Landes zur Betreuung von Häftlingen eingesetzt werden, vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. "Die Prediger der Ditib genießen keinen Vertrauensvorschuss mehr", sagte Kutschaty dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die Überprüfung durch den Verfassungsschutz sei "die Konsequenz aus dem Comic der Religionsbehörde Diyanet, in dem der Märtyrer-Tod verherrlicht wird".
Von 114 Imamen in nordrhein-westfälischen Gefängnissen gehörten im Februar 2016 nach Angaben des Ministeriums 97 zur Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion. Sie sollen bereits straffällig gewordene Muslime von einer Radikalisierung abhalten. Ditib-Vorstandsmitglied Murat Kayman sagte der Zeitung, die Entscheidung Kutschatys sei politisch motiviert und "reiner Wahlkampfpopulismus". Das Überprüfen aller Imame entbehre jeder sachlichen und rechtlichen Grundlage. Ditib werde ihrerseits über ein Ende des Seelsorge-Programms nachdenken.
Fehlt es Ditib an Neutralität?
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger hatte die Kooperation mit dem größten Islam-Dachverband in Deutschland bereits im Juni beendet. Der Grund: In einer angeforderten Stellungnahme des Verbands zu dem umstrittenen Comic habe es laut Ministerium an der "notwendigen klaren Neutralität und ausreichenden Distanz" zum Märtyrer-Thema gefehlt.
Kritiker werfen Ditib vor, sie werde aus Ankara gesteuert und sei der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der seit dem gescheiterten Putschversuch massiv gegen mutmaßliche Verschwörer vorgeht. Zuletzt hatten deshalb mehrere andere Bundesländer die Kooperation mit der Organisation infrage gestellt. Ditib war Träger des Kölner Standortes des NRW-Präventionsprogramms "Wegweiser", mit dem Jugendliche vor dem Abdriften in den gewaltbereiten Salafismus geschützt werden sollen.
Quelle: ntv.de, jug/dpa