Verteilte Rollen bei China-Reise Von der Leyen kritisiert, Macron macht Geschäfte mit Xi
07.04.2023, 15:26 Uhr Artikel anhören
Macron und Xi trafen sich informell im Songyuan-Gästehaus der Provinz Guandong, wo schon Xi Jinpings Vater als einflussreicher Funktionär verkehrte.
(Foto: via REUTERS)
Frankreichs Präsident wird in China von seinem Amtskollegen ebenso wie von Studenten herzlich empfangen. Bei der EU-Kommissionschefin von der Leyen fällt das Willkommen kühler aus. Die beiden Europäer kommen zwar gemeinsam, setzen aber ganz unterschiedliche Schwerpunkte.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat chinesischen Studierenden eine "kritische Geisteshaltung" ans Herz gelegt. "Das ermöglicht Ihnen, Wahres von Falschem zu unterscheiden, Dinge in ihrem Kontext zu betrachten und Abstand zu wahren", sagte Macron in einer Universität in der südchinesischen Provinz Guandong - was als diskrete Kritik an den streng kontrollierten chinesischen Staatsmedien aufgefasst werden konnte.
Erneut betonte Macron die chinesische Rolle bei der Suche nach einer Friedenslösung für die Ukraine. "Die internationale Ordnung ist heute brüchig, und China und Frankreich haben eine Verantwortung, sie zu bewahren und sie zugleich neu zu erfinden", sagte Macron vor den Studierenden, die den französischen Präsidenten wie einen Rockstar empfingen. Der kritische Geist seines Publikums war offenbar nicht ausgeprägt genug, um es zu politischen oder kritischen Fragen zu motivieren. Drei Studenten erkundigten sich in nahezu perfektem Französisch unter anderem nach den Eigenschaften, die einen guten Schüler ausmachen, und nach dem Einsatz künstlicher Intelligenz.
Macron traf anschließend zum zweiten Mal während seines Staatsbesuchs mit Xi und danach mit chinesischen Investoren zusammen. Sein dreitägiger Staatsbesuch stand in erster Linie im Zeichen des Ukraine-Kriegs, weswegen er auch ein Dreiertreffen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen initiiert hatte. Der Empfang von Macron fiel allerdings deutlich freundlicher aus als der der EU-Kommissionschefin.
Frankreichs Präsident ist in China ein willkommener Gast, weil er sich anders als von der Leyen mit Kritik zurückhält. Macron hatte die wirtschaftlich starke Südprovinz Guangdong als zweite Besuchsstation ausgesucht, weil Xi Jinpings Vater Xi Zhongxun dort einst führende Positionen innehatte und in den 80er Jahren erste Wirtschaftsreformen startete. Beide trafen sich informell im Songyuan-Gästehaus der Provinz, wo Xi Jinpings Vater einst verkehrte.
Xi lenkt nicht ein
Deutlicher als der französische Präsident sprach Kommissionspräsidentin von der Leyen die Streitthemen zwischen Europa und China an: die Schieflage in den Wirtschaftsbeziehungen, Menschenrechtsverletzungen, Chinas Territorialansprüche und Drohungen gegen das demokratische Taiwan. Im Ukraine-Konflikt rückte Chinas Staats- und Parteichef allen Appellen zum Trotz nicht von seiner Rückendeckung für Russland ab. In den Gesprächen mit Macron und von der Leyen zeigte Xi kein Entgegenkommen, sondern wiederholte nur bekannte Positionen. Er bekräftigte lediglich seine Absicht, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen zu wollen.
"Es war interessant zu hören, dass Präsident Xi seine Bereitschaft (mit Selenskyj) zu sprechen wiederholte, wenn die Bedingungen und Zeit richtig sind", sagte die EU-Kommissionspräsidentin vor der Presse. "Ich denke, das ist eine positive Entwicklung." Seit der russischen Invasion vor mehr als einem Jahr hat Xi Jinping nicht einmal mit Selenskyj telefoniert, aber mehrmals ausführlich mit Russlands Präsident Wladimir Putin konferiert. Vor gut zwei Wochen war Chinas Präsident sogar zu einem Besuch in Moskau. Den Wunsch des ukrainischen Präsidenten, mit ihm zu sprechen, hat Xi Jinping bisher hingegen ignoriert. Dazu sagte Chinas Botschafter in Brüssel, Fu Cong, der "New York Times", Xi Jinping sei "sehr beschäftigt".
Von der Leyen erinnerte an die "große Verantwortung" Chinas als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat, auf seinen "strategischen Partner" einzuwirken. "Wir zählen auf China", sagte von der Leyen nach dem Dreier-Treffen mit Macron und Xi. "Wir erwarten, dass China seine Rolle spielt und einen gerechten Frieden unterstützt." Macron appellierte an Xi, Russland "zur Vernunft zu bringen".
Verträge für Airbus, EDF und Alstom
Die Kommissionspräsidentin warnte China auch vor Waffenlieferungen an Russland. "Den Aggressor zu bewaffnen wäre gegen internationales Recht und es würde unsere Beziehungen erheblich schädigen." Sie setze darauf, dass China keine militärische Ausrüstung "direkt oder indirekt" zur Verfügung stelle. Xi plädierte anschließend allgemein für Verhandlungen, gab aber indirekt wie sonst lediglich die russische Rechtfertigung wieder.
Chinas Haltung in dem Konflikt wird vor allem durch die geostrategische Rivalität mit den USA und die gemeinsame Positionierung mit Russland gegen die Supermacht bestimmt. In den Gesprächen forderte Xi die Europäer wiederholt zum Abrücken von den USA auf. "China hat Europa immer als unabhängigen Pol in einer multipolaren Welt betrachtet." Er unterstütze die "strategische Autonomie" Europas und hoffe, dass es seine Beziehungen zu China "unabhängig" verfolgen werde, sagte der chinesische Präsident.
In diesem Punkt stimmte Macron, im Gegensatz zu von der Leyen, weitgehend mit Xi überein. Ungeachtet der europäischen Debatte über die Gefahren in der wirtschaftlichen Kooperation mit der weitgehend staatlich kontrollierten chinesischen Wirtschaft, wurden am Rande des Macron-Besuches wieder mehrere Wirtschaftsvereinbarungen unterschrieben, unter anderem von Airbus. Der Flugzeugbauer will eine zweite Montagelinie in seinem Werk in Tianjin bauen, um den wachsenden Luftverkehrsmarkt in China zu beliefern. Andere Abkommen unterzeichneten der französische Zughersteller Alstom sowie der weltweit zweitgrößte Stromerzeuger Électricité de France EDF.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP/dpa