Der gute alte Nazivergleich Warum Bachmann mit Goebbels provoziert
03.11.2015, 15:30 Uhr
Mit dem Nazivergleich kann man jemanden bis zum äußersten diskreditieren. Das weiß auch Lutz Bachmann.
(Foto: imago/CommonLens)
Für Pegida-Chef Lutz Bachmann ist es eine so gezielte wie beherrschbare Provokation: der Vergleich von Justizminister Maas mit NS-Propagandaminister Goebbels, dem Inbegriff des Demagogen.
Wenn einer wie Lutz Bachmann den Goebbels-Vergleich bemüht, dann stellen sich Fragen. Zum Beispiel: Will er damit sagen, dass ein SPD-Minister in der Art und Absolutheit seiner öffentlichen Äußerungen (noch) nazimäßiger daherkommt als die Wortführer bei Pegida? Will Bachmann sich von einem Joseph Goebbels distanzieren oder meint er es gar als Anerkennung für Heiko Maas dergestalt, dass dieser es verstanden habe, eine große Masse von Menschen zu beeinflussen?
Pegida-Chef Bachmann hatte Justizminister Maas am Montagabend als den "schlimmsten geistigen Brandstifter" seit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und Karl-Eduard von Schnitzler bezeichnet. Letzterer war im DDR-Fernsehen für den "Schwarzen Kanal" zuständig, wo Taten der Regierung in Westdeutschland und Worte der Westmedien zerpflückt wurden.
Der Historiker Jens Kegel, der in einem seiner Bücher die gesamte Sportpalastrede Goebbels' analysiert hat, sieht in Bachmanns Aussage zunächst eine ziemlich durchschaubare Taktik. "Bachmann geht hier davon aus, dass Goebbels gemeinhin als der schlimmste Demagoge gilt. Er bemüht das Klischee und ruft damit den Standardeffekt in Deutschland hervor", sagte er n-tv.de. Damit meint er: Empörung auf der einen Seite und Zustimmung aufseiten der Anhänger. "Wer einen solchen Goebbels-Vergleich bringt, will den anderen in eine Ecke stellen und von sich ablenken", meint Kegel.
Der Münsteraner Geschichtsprofessor Thomas Großbölting sieht das ähnlich. "Der Nazivergleich zieht eine Parallele, mit der man jemanden zum äußersten diskreditieren kann." Allerdings sei Bachmann mit seinem Vergleich nicht besonders spezifisch gewesen. "Mit Goebbels und von Schnitzler hat er ja gleich zwei Bösewichte bemüht und damit geschickt auf Propaganda im Nationalsozialismus und in der DDR verwiesen."
Maas bleibt still, Kollegen regen sich auf
Der Bundesjustizminister hat sich indes entschieden, keine Strafanzeige wegen Beleidigung gegen Bachmann zu stellen. Das Ministerium will sich ansonsten nicht weiter äußern. Bachmann soll keine weitere Aufmerksamkeit beschert werden, scheint dabei als mögliche Strategie durch.
Bachmanns Ankündigung vom Vorabend läuft damit vorerst ins Leere, der nach Ende der Pegida-Demo und ersten Berichten über seine Äußerungen schrieb: "Und wenn die ShariaParteiDeutschlands (SPD) und die komplette Presse im Dreieck springen und 100.000 Ermittlungen fordern, IHR MACHT MICH NICHT MUNDTOT!" Dass er offenbar auf öffentliche Empörung und mögliche Strafanzeigen nur gewartet hat, wird hier umso deutlicher.
Auch wenn es nun kein juristisches Nachspiel geben wird: Die Provokation ist Bachmann dennoch gelungen. SPD-Vize Ralf Stegner twitterte empört, der "Pegidiot Bachmann" sei ein "ekelhafter Brandstifter" und gehöre "vor den Kadi". SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi teilte mit, Bachmanns Vergleich sei "an Hirnlosigkeit nicht zu überbieten". "Ein wahnsinniger Faschist vergleicht einen durch und durch anständigen Menschen wie Heiko Maas mit dem Chefideologen des 'Dritten Reiches'", fügte sie an. Das sei perfide und ekelhafte Rattenfängerei, wie sie schlimmer nicht mehr werden könne.
Testlauf mit Pirinçci
Was passiert, wenn auf einer Pegida-Kundgebung mit Nazivergleichen gearbeitet wird, konnte Bachmann bereits vor zwei Wochen studieren. Da schwadronierte der Autor Akif Pirinçci über den bedauerlichen Umstand, dass die Konzentrationslager nicht mehr in Betrieb seien. Dorthin, so behauptete er, würden deutsche Politiker ja gerne die Asylgegner schicken, wenn sie nur könnten. Pirinçci bekam Ärger, sogar von Pegida. Interessanterweise diskreditierte aber auch Pirinçci bei seiner KZ-Aussage die deutschen Politiker als diejenigen mit den wahren Nazimethoden oder -gedanken.
Mit dem Reizwort Goebbels hat Bachmann eine für ihn beherrschbare Erregung erzeugt. An den Reaktionen der oben zitierten Politiker wird er sich genüsslich abarbeiten. Nüchtern betrachtet, bleibt bei Bachmann aber nur die durchschaubare Provokation. Wie es besser geht, zeigte vorvergangene Woche die ARD-Sendung "Monitor": Dort wurden Redepassagen des AfD-Politiker Björn Höcke solchen von Joseph Goebbels aus der Sportpalastrede nebeneinandergestellt. Die gezeigten Parallelen sehen nicht nach einem Zufall aus.
Quelle: ntv.de