
Natürlich gibt es Frauen in der AfD, nicht zuletzt Parteichefin Frauke Petry. Aber die AfD zieht mehr Männer als Frauen an.
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In Mecklenburg-Vorpommern haben sich mehr Männer als Frauen für die AfD entschieden. In Österreich wählen mehr Männer als Frauen die FPÖ. In den USA hat Donald Trump Probleme, Frauen von sich zu überzeugen. Warum ist das so?
Es ist das vielleicht am wenigsten überraschende Ergebnis der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. "Gewählt wird die AfD von 16 Prozent der Frauen, aber von 25 Prozent der Männer", schreibt die Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Wahlanalyse.
Ähnliche Befunde gibt es regelmäßig. Frauen entscheiden sich weniger häufig für rechtsradikale oder rechtspopulistische Parteien als Männer. Bei der für ungültig erklärten Bundespräsidentenwahl in Österreich wählten 60 Prozent der Frauen den ehemaligen Grünen-Chef Alexander van der Bellen und 40 Prozent den FPÖ-Politiker Norbert Hofer, bei den Männern war es umgekehrt. In den USA zeigen Umfragen, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump große Schwierigkeiten hat, Frauen von sich zu überzeugen.
Warum ist das so? Warum sind Frauen weniger anfällig für Politiker und Parteien, deren Botschaft schwerpunktmäßig die Ausgrenzung von Minderheiten ist?
"Männer sind anfälliger für Ängste"
Die Vorstellung, Frauen seien die besseren Menschen, wischt Isabelle Hannemann gleich vom Tisch. Auf die Frage, ob Frauen von dem Spiel mit Angst und Wut abgestoßen werden, antwortet sie: "Ich befürchte, ich bin die Falsche, wenn es darum geht, die Ehre der Frauen zu retten." Hannemann ist promovierende Sozialpsychologin, sie ist Expertin, wenn es darum geht, Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu erklären. Biologistische Deutungen – sprich: Klischees – lässt sie nicht gelten. Sie glaubt beispielsweise nicht, dass Männer einen angeborenen Hang zur Aggressivität haben und deshalb von radikalen Parteien leichter erreicht werden.
Im Gespräch mit n-tv.de verweist Hannemann auf die Mitte-Studien der Universität Leipzig, die zeigen, dass Frauen keineswegs immun gegen rechtsextreme Einstellungen sind. Die jüngste Mitte-Studie ergab etwa, dass Frauen fast so ausländerfeindlich sind wie Männer (18,9 zu 22,2 Prozent). Aber eben nur fast. Deutlich weniger Frauen als Männer befürworten eine Diktatur (3,9 zu 6,4 Prozent), nur halb so viele Frauen wie Männer sind antisemitisch (3,3 zu 6,6 Prozent).
Natürlich muss man nicht die Einführung einer Diktatur befürworten, um die AfD zu wählen. Aber die Mitte-Studie zeigt auch, dass der Anteil von "Personen mit rechtsextremem Einstellungspotenzial" unter AfD-Wählern und -Wählerinnen höher ist als in anderen Parteien. Das erlaubt den Umkehrschluss, dass Gruppen, die weniger offen für solche Einstellungen sind, weniger häufig AfD wählen. Zum Beispiel Frauen. "Männer sind anfälliger für die Ängste, die die AfD mobilisiert", sagt Hannemann.
Vier Gründe
Vordergründig ist damit erklärt, warum Frauen weniger häufig AfD wählen: Sie haben weniger häufig politische Einstellungen, die zur AfD passen. Aber warum ist das so? Hannemann nennt vier Gründe:
Das Frauenbild der AfD gefällt vielen Frauen nicht. "Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild", heißt es in ihrem Grundsatzprogramm. "Es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter, die am Existenzminimum kratzen", sagt Hannemann. Wenn von der AfD suggeriert werde, das sei selbstverschuldet, "dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass Frauen das abstößt". Auch die Darstellung arbeitender Frauen als Opfer des Kapitalismus gehe an der Lebenswirklichkeit vieler Frauen vorbei.
Die AfD greift männliche Ängste auf. Das Frauenbild der AfD stehe dem der antifeministischen Männerrechtsbewegung nahe, sagt die Sozialpsychologin. Tatsächlich gehört die Abwehr der "Gender-Ideologie" zu den zentralen Themen der Partei. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke forderte, Deutschland müsse seine "Männlichkeit" wiedergewinnen. Die Grünen, die in diesem Punkt das exakte Gegenbild verkörpern, werden von AfD-Politikern gern als "Grüninnen" verspottet. Hannemann sagt, das Frauenbild der AfD spreche Männer an, "die das Gefühl haben, entmachtet zu werden", und zwar sowohl im Job als auch in der Familie. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das beliebteste Feindbild der AfD ist und der Slogan "Merkel muss weg" bei ihren Kundgebungen skandiert wird.
Dieses Entmachtungsgefühl von Männern ist übrigens keineswegs ein rein deutsches Phänomen, es findet sich in allen westlichen Gesellschaften. "Früher hatten weiße Männer in den USA 95 Prozent an Macht und Reichtum, heute sind es 85 Prozent", sagt etwa der amerikanische Soziologe Michael Kimmel. "Das sehen viele als gewaltigen Verlust, als Kränkung und Erniedrigung – Gefühle, die häufig Wut auslösen."
Eindeutigkeit spricht Männer eher an als Frauen. Im Familienbild der AfD herrschen eindeutige Grenzen – jeder hat seinen Platz. Dies gilt auch für andere Positionen der Partei, etwa für ihre Vorstellungen zur Flüchtlingspolitik. Eindeutigkeit suggeriere Sicherheit, Uneindeutigkeit könne Angst machen. Können Frauen besser mit Uneindeutigkeit umgehen? Auf eine so einfache Formel will Hannemann sich nicht einlassen. "Aber kulturgeschichtlich ist Weiblichkeit immer mit Uneindeutigkeit verbunden", sagt sie. "Traditionell ist der Mann die Norm, die Frau ist die Abweichung." (Sprachlich erkennt man das beispielsweise an dem Wort "man".) Doch sie will diesen Punkt nicht überbewerten. "Wenn Ängste mobilisiert werden, spricht das auch Frauen an."
Grundsätzlich sei es so, dass Feindbilder entlastend wirken. "Es ist viel leichter, eigene Fehler auf andere zu projizieren, als sich selbst damit auseinanderzusetzen." Hannemann ist hier vorsichtig, sie glaubt nicht, dass man Männer und Frauen auf bestimmte Verhaltensmuster festlegen kann. "Aber es kann durchaus sein, dass Frauen stärker dazu gezwungen sind, sich mit Problemen zu arrangieren, dass sie deshalb weniger in Schwarz-Weiß-Kategorien denken." Dies habe möglicherweise mit der Erziehungsverantwortung zu tun, die noch immer stärker bei den Frauen liege.
Frauen können besser mit Veränderungen umgehen. Hannemann erinnert daran, dass mehr Frauen als Männer aus den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands abgewandert sind. Vielleicht liegt es daran, dass Männer eher das Gefühl haben, ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz und soziale Sicherheit zu haben, während Frauen sich stärker anstrengen, um erfolgreich zu sein. In jedem Fall ist es wohl so, dass Männer weniger häufig als Frauen den Mut zur Veränderung haben. "Wenn es um die Planung des eigenen Lebens geht, können Männer Entscheidungen leichter verschieben als Frauen", sagt Hannemann. "Sie können, zumindest theoretisch, noch mit 80 Vater werden. Frauen haben diese Zeit nicht."
Quelle: ntv.de