Asylverfahren für Flüchtlinge Warum es bei den Schweizern besser läuft
19.09.2015, 11:04 Uhr
In der Schweiz werden Asylanträge deutlich schneller als in Deutschland bearbeitet.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die deutschen Behörden sind überfordert, Flüchtlinge müssen meist viele Monate auf die Entscheidung über ihr Asylgesuch warten. In der Schweiz gibt es Schnellverfahren - und auch personell ist das Nachbarland überlegen. Martin Reichlin, der stellvertretende Sprecher im Staatssekretariat für Migration in Bern, erklärt das Schweizer System.
n-tv.de: Wie laufen gewöhnliche Asylverfahren in der Schweiz ab?
Martin Reichlin: Es gibt fünf zentrale Empfangs- und Verfahrenszentren an den Grenzen, die gleichzeitig Erstaufnahme-Einrichtungen sind. Dort werden alle Asylgesuche registriert und es finden die ersten Verfahrensschritte statt: Fingerabdruckerfassung, eine Kurzbefragung der Asylsuchenden zum Reiseweg und den Asylgründen, sowie eine erste Selektierung im Hinblick auf verschiedene Asylprozesse. Dabei wird entschieden, wer in ein 48-Stunden-Verfahren kommt, was potenzielle Dublin-Fälle sind und welche Verfahren länger dauern und mit einer Asylgewährung enden könnten.
Wie laufen Asylschnellverfahren ab?
Ähnlich wie normale Verfahren. Der Unterschied ist: Bei den schnellen Verfahren für Asylsuchende aus dem Südwestbalkan sowie aus dem Norden und Westen Afrikas geht man davon aus, dass die Personen aus sicheren Staaten stammen. Bei diesen Gesuchen ist die Anerkennungsquote sehr niedrig, meist zwischen 0 und 2 Prozent. Gestützt auf unsere Erfahrungen kann man daher rasch entscheiden und – im Falle einer Ablehnung – die Ausreise einleiten. Wichtig ist: Auch die Entscheide der schnellen Verfahren können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
Wie lange dauern die Verfahren?
Das ist unterschiedlich. Von Erstgesuch bis Entscheid vergehen in der Regel eineinhalb bis zwei Monate.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die Schweiz bei den Asylverfahren so viel schneller arbeitet als deutsche Behörden?
Es steht mir nicht zu, unsere deutschen Kollegen zu beurteilen – sie sind mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Mit Blick auf die Schweiz kann man nur sagen: 2012 wurde eine Behandlungsstrategie eingeführt. Demnach sollen schwach begründete Asylersuche in erster Priorität zügig abgearbeitet werden, um das System zu entlasten. Wir wollen dadurch auch erreichen, dass die Zahl neuer Gesuche aus sicheren Herkunftsstaaten, etwa aus dem Südwestbalkan oder Nordafrika, niedrig bleibt.
Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat 2800 Mitarbeiter bei knapp 200.000 Asylanträgen im ersten Halbjahr 2015. Wie ist das zahlenmäßige Verhältnis der Mitarbeiter des Staatssekretariats für Migration zu den Asylbewerbern?
Das Staatssekretariat für Migration hat rund 1000 Mitarbeiter. Die etwa 220 Asylentscheider erledigten im letzten Jahr 26.715 Asylanträge.
In Deutschland gibt es in diesen Tagen eine ausgeprägte Willkommenskultur. Wie reagieren die Schweizer derzeit auf Neuankömmlinge?
Die Hilfsbereitschaft ist auch hier sehr groß. Die Bilder, die die Menschen jeden Tag in den Medien wahrnehmen, bleiben nicht ohne Wirkung. Wir erleben in unseren Zentren, dass die Spenden von Kleidung und Kinderspielzeug, aber auch die Bereitschaft, Asylsuchende bei sich wohnen zu lassen, deutlich zunehmen. Die Schweiz ist im Vergleich zu anderen Staaten aber bisher nur am Rande von den Ereignissen in den Balkanstaaten, Ungarn oder Österreich betroffen.
Mit Martin Reichlin sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de