Politik

Bildung? Werte! Was Trump- und AfD-Wähler verbindet

Was Hillary Clinton im US-Wahlkampf für Donald Trump war, ist Angela Merkel für die AfD.

Was Hillary Clinton im US-Wahlkampf für Donald Trump war, ist Angela Merkel für die AfD.

(Foto: imago/Karina Hessland)

Donald Trump hat die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen, weil es ihm gelungen ist, sein Wählerpotenzial voll auszuschöpfen, sagt der Politologe Timo Lochocki. Daraus könnten die etablierten Parteien in Deutschland eine Lehre ziehen.

n-tv.de: Wie ähnlich sind sich die Wähler von Trump und der AfD?

Der Politologe Timo Lochocki ist Experte für rechtspopulistische Parteien in Europa und arbeitet für die Denkfabrik German Marshall Fund.

Der Politologe Timo Lochocki ist Experte für rechtspopulistische Parteien in Europa und arbeitet für die Denkfabrik German Marshall Fund.

Timo Lochocki: Von der Sozialstruktur her sind beide Gruppen eng verwandt. Mit einem Unterschied. Es gibt zwei Variablen, die Trumps Wahlsieg erklären – Bildung und Werte. Bei den Wählern rechtspopulistischer Parteien in Europa spielt Bildung als erklärende Variable dagegen so gut wie keine Rolle.

Woran liegt das?

Der wichtigste Grund ist, dass es in Europa eine geringere Diversität mit Blick auf Bildungszertifikate gibt als in den USA. Der Großteil der europäischen Bevölkerung hat einen mittleren Schulabschluss, ein Drittel hat einen hohen, ganz wenige haben einen niedrigen oder keinen Abschluss. In den USA ist die Spreizung größer. Es gibt mehr Leute mit sehr hoher formaler Bildung, aber auch deutlich mehr, die keinen College-Abschluss haben. Aus dieser Gruppe kamen besonders viele Trump-Wähler.

Das ist bei der AfD anders?

Ja. Es wäre völlig falsch anzunehmen, dass die AfD die Partei der Ungebildeten oder der weißen Männer ist. Diese Gruppen sind bei der AfD leicht überrepräsentiert, aber bei weitem nicht so stark, dass man die Partei darauf reduzieren könnte. AfD-Wähler sind ehemalige Wähler der Union, der SPD und der Linken sowie ehemalige Nichtwähler – insgesamt ein Querschnitt der Bevölkerung.

Bleiben die Werte.

Werte sind die zentrale Gemeinsamkeit von Trump-Wählern und den Wählern rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa. Die meisten Wählergruppen, die sich für Trump entschieden haben, haben sehr sozialkonservative Ansichten; mit Sicherheit haben sie keine linksliberalen Ansichten. Das gilt auch für die Wähler der AfD.

Eine aktuelle Studie besagt, dass die Angst vor Globalisierung und ökonomischem Abstieg die politischen Einstellungen der Europäer stärker beeinflusst als ihr persönlicher Wertekompass.

Das ist kein Widerspruch, sondern eine Frage der Definition. Normalerweise unterscheidet man in der Politikwissenschaft die ökonomischen und die kulturellen Konfliktlinien. Die Studie der Bertelsmann-Stiftung hat die kulturelle Dimension noch einmal aufgespalten: in die Haltung zur Globalisierung und die Frage, wie stark jemand traditionellen Werten anhängt – wie man etwa zur Rolle des Staates steht oder zu Homosexualität. Dass die Ablehnung der Globalisierung und der Rückgriff auf die Nation für Wähler rechtspopulistischer Parteien noch wichtiger sind als traditionelle Werte, ist für mich sehr nachvollziehbar. Das sind Bereiche, die deutlich emotionaler besetzt sind.

Warum?

Diese Parteien sprechen diffuse Ängste vor Wandel an. Dieser Wandel wird festgemacht an greifbaren Symbolen. Das sind eher nicht abstrakte Debatten wie die über die Homo-Ehe, sondern Flüchtlinge, Zuwanderer oder der Euro.

Welche Rolle spielten Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit für Trumps Wahlerfolg?

Trump wurde auch von Rassisten und Xenophoben gewählt. Aber allein mit ihnen hätte er die Wahlen keinesfalls gewonnen.

Warum hat Trump denn gewonnen?

Der wichtigste Grund für seinen Wahlsieg war, dass die Mobilisierungsstrategie der Demokraten gescheitert ist. Donald Trump hat sein Wählerpotenzial ausgeschöpft, er hat alle Wählerschichten mobilisiert, die er brauchte. Und entscheidend war nun mal die verunsicherte Mitte – also die Wähler, die weder sehr konservativ noch sehr liberal sind. Hillary Clinton ist es nicht gelungen, diese entscheidende Wählergruppe ausreichend anzusprechen. Für die Bundestagswahl im nächsten Jahr heißt das: Entscheidend ist die Mobilisierungskapazität der etablierten Akteure.

Wie nah sind Donald Trump und die AfD sich inhaltlich?

Das ist schwer zu sagen – Trump ist als Kandidat flexibler als eine Partei, auch die Wahlsysteme in Deutschland und den USA sind ja völlig unterschiedlich. Aber man kann sich dieser Frage annähern, indem man fragt, was die jeweiligen Wähler motiviert. Bei beiden gibt es eine grundlegende Elitenskepsis und eine Zuflucht vor hochkomplexen politischen Themen in einfache, nationalistische, sehr konservative Standpunkte. Aber das charakterisiert die Republikaner schon vor Trump. Zu Trumps Wahlkampf gehörten auch Stimmen, die europäische Rechtspopulisten noch rechts überholen – die Alt-Right-Bewegung oder die Nachrichtenseite Breitbart. Mit wenigen Ausnahmen sind die Rechtspopulisten in Westeuropa Anti-Eliten-Parteien, aber keine Anti-Demokratie-Parteien.

Mit Timo Lochocki sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen