Neue und alte Gesetze Was sich nach Köln ändert
12.01.2016, 15:02 UhrNach der Kölner Silvesternacht wird viel über schärfere Gesetze diskutiert. Dabei hat die Große Koalition mit dem Asylpaket I von August 2015 und mit dem Asylpaket II, das in den kommenden Wochen verabschiedet werden soll, mehrere Anpassungen vorgenommen. Auch ein härteres Sexualstrafrecht ist bereits seit vergangenem Sommer in Arbeit. Was gilt schon? Was gilt bereits als beschlossene Sache? Und was in der Diskussion ist wirklich neu? Ein Überblick.
Diese Änderungen werden nach Köln umgesetzt
Ausweisungen:
Grundsätzlich ist Ausweisung in Deutschland seit dem 1. Januar 2016 eine Abwägungsentscheidung der Behörden. So müssen im Einzelfall die Bleibeinteressen eines Ausländers (also etwa die Situation in seinem Heimatland) gegen die Interessen der Bundesrepublik, die Person loszuwerden, abgewogen werden. Das System dafür ist recht kompliziert, generell galt bisher jedoch: Es bedarf einer sehr schweren Straftat, um ausgewiesen zu werden.
Diese Schwelle wird nun herabgesetzt. Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas haben sich darauf geeinigt, dass Flüchtlinge ihren Status als schutzbedürftig verlieren, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt werden. Besonders schwerwiegend sind zudem Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, gegen Eigentum (also Raub oder Ladendiebstahl) sowie bei Angriffen auf Polizisten. Hier soll eine Ausweisung auch unabhängig von Strafhöhe oder einer Bewährung möglich sein. Ob diese Verschärfungen vor Gerichten Bestand haben, ist umstritten.
Zu beachten ist jedoch: Ausweisungen erfolgen erst nach Abschluss langwieriger Verfahren. Zunächst muss ein Straftäter rechtskräftig, also auch durch mehrere Instanzen hinweg, verurteilt sein. Dann muss sein Ausweisungsverfahren abgeschlossen sein - auch hier inklusive zweier vorgesehener Instanzen. Und mit der Ausweisung sind Menschen noch lange nicht außer Landes. Es gibt eine Reihe üblicher Gründe, die eine Abschiebung - also die Zwangsausreise - verhindern können: Krankheit, Verlust der Ausweisdokumente, eine unsichere Lage im Herkunftsland etwa. Bis ein krimineller Ausländer ausgereist ist, können auch nach der Verschärfung Jahre vergehen.
Wohnsitzpflicht:
Vizekanzler Sigmar Gabriel und Kanzleramtschef Peter Altmaier sind sich einig: Flüchtlingen, auch solchen, die bereits anerkannt sind, soll vorgeschrieben werden können, wo sie ihren Wohnsitz anmelden. So sollen sogenannte Problemviertel in Großstädten entlastet werden.
Unklar ist, ob dies vor Gerichten Bestand haben kann. Die Genfer Flüchtlingskonvention räumt Flüchtlingen das Recht ein, ihren Wohnort frei zu wählen. Ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2008 bestätigt das. Ein EuGH-Urteil dazu steht noch aus.
Sexualstrafrecht:
Das SPD-geführte Justizministerium möchte schon seit einiger Zeit das Sexualstrafrecht verschärfen. Nach der Silvesternacht bekommt die Diskussion neuen Schwung.
Bisher gilt: Sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung liegen nur dann vor, wenn ein Täter zweistufig vorgeht. Er muss sein Opfer konfrontieren, einschüchtern oder Gewalt androhen, bevor es zu einer sexuellen Handlung kommt. Drohende Gewalt kann demnach auch von einer "Wand" aus möglichen Tätern ausgehen, so wie es in Augenzeugenberichten aus Köln beschrieben wird. Wenn, wie offenbar in vielen Kölner Fällen, "nur" ein allgemeines Gedränge dazu genutzt wird, um Frauen "anzugrapschen", dann ist das jedoch keine sexuelle Nötigung. Ein solches Vorgehen ist derzeit straffrei. Diesen Missstand soll die Novelle des Justizministeriums beseitigen.
Das derzeitige Recht legt zudem generell einen recht hohen Standard dafür an, von einem Sexualdelikt zu sprechen. "Betatschen" von angezogenen Frauen etwa reicht nicht aus, um als sexuelle Nötigung eingestuft zu werden. Für eine Vergewaltigung muss der Geschlechtsverkehr vollzogen werden.
Diese "Schutzlücken" will Justizminister Heiko Maas nun beseitigen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie viel Widerstand eine Frau gegen einen sexuellen Übergriff leisten muss, damit von Vergewaltigung gesprochen werden kann. Hier "gibt das geltende Recht nicht immer eine klare Antwort", sagte Maas. Das Sexualstrafrecht müsse daher "den tatsächlichen Situationen, in denen die meisten Übergriffe stattfinden, gerechter werden". Auf jeden Fall dürften Vergewaltigungen nicht straflos bleiben.
Das änderte sich mit dem Asylpaket I
Die Pläne seit dem Silvesterabend sind die Fortsetzung eines ohenhin schon härteren Kurses in der Flüchtlingspolitik. Die Große Koalition hatte im Sommer 2015 bereits mehrere Änderungen am Asylrecht vorgenommen, seit dem 23. Oktober 2015 sind diese in Kraft.
Darin wurde für Asylbewerber eine Residenzpflicht für die ersten sechs Monate festgelegt. Innerhalb dieser Zeit müssen sie in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und dürfen nicht arbeiten.
Es gibt seither mit Albanien, Kosovo und Montenegro neue "sichere Herkunftsstaaten". Menschen aus diesen und anderen "sicheren" Ländern müssen bis zum Ende ihres Asylverfahrens in ihrer Erstaufnahmeeinrichtung bleiben - auch über die erwähnten sechs Monate hinaus.
Bargeldleistungen können durch die Länder und Kommunen durch Sachleistungen ersetzt werden. Verlassen abgelehnte Asylbewerber nicht zu einem festgelegten Termin das Land, werden diese Leistungen gekürzt.
Ausreisepflichtige Menschen können sich Abschiebungen nicht mehr so leicht entziehen: Ihnen wird seit dem Asylpaket I nicht mehr mitgeteilt, wann die Abschiebung stattfinden soll.
Diese Punkte des Asylpakets II gelten als sicher
Mit ein wenig Verzögerung wird es vermutlich noch im Januar zur Verabschiedung weiterer Verschärfungen kommen - eigentlich sollte das Asylpaket II schon vor Weihnachten das Parlament passieren.
Geplant ist, Flüchtlinge ohne Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber in "besonderen Aufnahmeeinrichtungen" unterzubringen. Dort sollen Asylanträge im Schnellverfahren bearbeitet werden.
Flüchtlinge in diesen Einrichtungen unterliegen dann der "verschärften Residenzpflicht": Sie dürfen den Landkreis nicht verlassen. Bei Verstößen gibt es keine Leistungen mehr, der Asylantrag ruht dann. Wer wiederholt gegen diese Auflage verstößt, wird abgeschoben.
Leistungen gibt es für alle Flüchtlinge und Asylbewerber künftig nur auf Vorlage eines neuen einheitlichen Ausweises. Damit soll das Registrierungs- und Erfassungswirrwarr der vergangenen Monate behoben werden.
Flüchtlinge, die weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach dem deutschen Asyl-Grundrecht anerkannt werden, dürfen in den kommenden zwei Jahren nicht ihre Familien nach Deutschland holen. Möglich ist, dass bei Flüchtlingen eine Ausnahme gemacht wird, die ihre Familie selbst ernähren können.
Zudem wird es schwerer werden, sich einer Abschiebung zu entziehen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests, dass gesundheitliche Gründe dagegen sprechen, reichte bisher aus.
Diese Punkte des Asylpakets II sind noch umstritten
Unklar ist noch eine Einigung bei Unterbringungsstandards und der medizinischen Versorgung für Schwangere und Behinderte. EU-Richtlinien fordern hier Verbesserungen. Die CSU sieht die Vorgaben aus Brüssel angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge als undurchführbar und obsolet an. Die SPD beharrt darauf.
Die Union möchte, dass Flüchtlingen, die an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen, das Taschengeld gekürzt wird. So sollen die Angebote mitfinanziert werden. Das findet die SPD kontraproduktiv, könnte aber womöglich einlenken.
Quelle: ntv.de