Ampeltalk bei Lanz "Was wird da geraucht im Kanzleramt?"
10.07.2024, 05:02 Uhr Artikel anhören
Habeck (links) und Scholz (zweiter von links) auf einem Balkon im Bundeskanzleramt
(Foto: picture alliance/dpa)
In der vergangenen Woche legt die Bundesregierung einen Entwurf für den neuen Haushalt vor. Und gleich wird gestritten. Die Gäste bei Markus Lanz im ZDF fragen sich, ob in Deutschland zu viel gemeckert wird. Der SPD-Politiker Stegner äußert sich auch zu etwaigen Neuwahlen.
Sie waren stolz, als sie die Einigung auf einen Haushaltsentwurf der Ampelkoalition verkündeten: Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner. Doch nicht alle Ampelpolitiker sind damit einverstanden. Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD-Parteifreund von Scholz, hätte sich zum Beispiel deutlich mehr für die kaputt gesparte Bundeswehr gewünscht.
Schon kurz nach der Einigung auf den neuen Haushaltsentwurf am Freitag, in dem die Schuldenbremse eingehalten werden soll, gab es zudem Kritik aus der SPD-Fraktion. Deren Vorsitzender Rolf Mützenich sagte vor der Presse, das letzte Wort über die Schuldenbremse sei noch nicht gesprochen. Tatsächlich wird der Haushaltsentwurf der Bundesregierung in den nächsten Monaten vom Parlament beraten. Das sei dessen Aufgabe, erklärt Ralf Stegner. Der SPD-Politiker gehört zu den Gästen in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz", bei der es um die Lage in Deutschland und den Haushaltsentwurf der Bundesregierung geht.
"Deutschland hat Luxusprobleme"
"Die Leute tun manchmal so, als ob unser Staat nicht mehr funktioniert", sagt Stegner zur aktuellen Lage. Viele Menschen im Ausland wären froh, wenn sie unsere Probleme hätten. "Diese Jammerei geht mir tierisch auf den Senkel. Anstatt zu sagen, jetzt ist die Zeit, die Ärmel aufzukrempeln und was zu tun." Ja klar, Deutschland habe auch Probleme. Die Bahn zum Beispiel fahre nicht immer ganz pünktlich. Aber, so Stegner: "Deutschland hat Luxusprobleme."
Das sieht die Wirtschafts- und Politikexpertin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" völlig anders. Julia Löhr kritisiert vor allem die Wirtschaftsprognosen von Scholz. Vor zwei Wochen habe der Kanzler eine unglaubliche Belebung in Deutschland vorhergesagt. Löhr: "Aber schauen Sie sich die Zahlen an: Die Auftragseingänge in der Industrie gehen runter, das Geschäftsklima geht runter, die Exporte gehen runter, die Konjunkturprognosen sind nach wie vor schlecht. Und manchmal fragt man sich einfach: 'Was wird da geraucht im Kanzleramt?'"
Stegner tut das, was Ampelpolitiker oft tun: Er weist auf den Krieg in der Ukraine hin und darauf, dass es der Ampelkoalition gelungen sei, dass die Menschen auch ohne russisches Gas nicht frieren mussten. Erneut fordert er eine Reform oder ein Aussetzen der Schuldenbremse, damit Geld frei werde für notwendige Investitionen. Unter den vorhandenen Rahmenbedingungen sei das Wachstumspaket der Bundesregierung "ganz anständig". "Die Ratschläge, die wir immer kriegen, sind ganz putzig: Mehr in Rüstung, weniger in Soziales. Wenn ich das mache, kann ich der Wagenknecht gleich eine Extraladung Schampus ausgeben." Für Stegner hat der Haushaltsentwurf wichtige Ziele erreicht: Die Ukraine werde weiter unterstützt, gleichzeitig werde der Sozialstaat bewahrt.
Löhr: SPD ist Sozialleistungsempfänger-Partei geworden
Das gilt zum Beispiel beim Bürgergeld. Da sollen Arbeitsverweigerer härter bestraft werden. Wer allerdings freiwillig eine Arbeit aufnimmt, soll dafür eine Prämie bekommen. Wie hoch die sein wird, ist jedoch noch nicht klar, ebenso wenig wie die Finanzierung.
Doch Löhr reicht das noch nicht. "Von den vier Millionen Bürgergeldempfängern stehen 1,6 Millionen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung", sagt sie. "Und da muss es darum gehen, wie man mehr davon in Arbeit kriegt." Stegner wirft sie vor: "Mich wundert, warum die SPD so eine Sozialleistungsempfänger-Partei geworden ist und nicht mehr die Interessen derer vertritt, die arbeiten."
Doch gerade für Berufstätige will Stegner da sein. Darum fordert er eine Anhebung des Mindestlohns. Damit will er erreichen, dass weniger Bürgergeldempfänger aufstocken müssen.
Schluss mit Ampelstreit
Nicht untypisch für die Ampel sei, dass sofort nach dem Bekanntwerden des Haushaltsentwurfs erneut ein Koalitionsstreit ausgebrochen sei, kritisiert Löhr. Und Sportjournalist Reinhold Beckmann wünscht sich, "dass ihr angesichts der Wahlen im September eure Konflikte nicht immer öffentlich auf der Bühne austragt, sondern dass ihr euch diszipliniert. Denn das, was jetzt ansteht, kann diese Republik ganz wesentlich verändern. Das ist das, was mir so auf den Keks geht, wenn ich sehe, wie jeder kleinste Konflikt öffentlich ausgetragen wird."
Wie Mützenichs Kritik am Haushaltsentwurf, auf den Löhr hinweist. Die SPD sei gespalten, sagt die Journalistin. Da sei die Scholz-SPD, die an der Schuldenbremse festhalten wolle, und da sei die SPD-Fraktion, die eine Notlage ausrufen wolle, um die Schuldenbremse auszusetzen. Löhr: "Es gibt keine außergewöhnliche Notlage in diesem Jahr."
Aber den aktuellen Streit in der SPD möchte Stegner lieber gar nicht so hoch hängen. Am Ende werde alles gut gehen, ist er sich sicher. Der Haushaltsgesetzgeber werde mit den Stimmen der Ampel einen Haushalt verabschieden, sagt er. "Und es wird keine Neuwahlen geben."
Quelle: ntv.de