Das wollen die Parteien Wie kann Deutschland sicherer werden?
03.01.2017, 14:25 Uhr
Eine Schneise der Verwüstung: Der Lastwagen, mit dem am 20. Dezember auf dem Berliner Breitscheidplatz der Anschlag verübt wurde.
(Foto: picture alliance / Bernd von Jut)
Keine zwei Wochen ist der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt her. Vor allem die Unionsparteien, SPD und AfD wittern ein viel versprechendes Wahlkampfthema.
Auf einer ganzen Seite beschreibt Thomas de Maizière in der "FAZ", wie er Deutschland gegen islamistischen Terror rüsten will. Er ist nicht der einzige Politiker, der sich in diesen Tagen ausführlich mit dem Thema Innere Sicherheit auseinandersetzt. Neun Monate vor der Bundestagswahl deutet alles darauf hin, dass es eines der wichtigsten Wahlkampfthemen werden dürfte. Eine Übersicht über das, was die Parteien wollen:
CDU
Innenminister Thomas de Maizière fordert in der "FAZ" mehr Kompetenzen für den Bund. "Dort, wo Bund und Länder in Angelegenheiten der Sicherheit des Bundes zusammenarbeiten, braucht der Bund eine Steuerungskompetenz über alle Sicherheitsbehörden." Die bisherigen Befugnisse für das Bundeskriminalamt seien zu eng gefasst. "Wir brauchen einheitliche Regeln und eine bessere Koordinierung, zum Beispiel bei der Kontrolle von Gefährdern." Nötig seien auch wirksamere Fahndungsmaßnahmen und mehr Befugnisse zur Abwehr von Cyber-Angriffen. Die Bundespolizei solle eine zentrale Verfolgungs- und Ermittlungszuständigkeit zur konsequenten Feststellung unerlaubter Aufenthalte in Deutschland erhalten und "zu einer echten Bundes-Polizei" entwickelt werden.
De Maizière will die Landesämter für Verfassungsschutz in das Bundesamt überführen. Mehr Kompetenzen für den Bund soll es auch bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber geben. Der Innenminister fordert, "dass der Bund eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung erhält". Abschiebungen könnten so unter der Regie des Bundes "unmittelbar vollzogen" werden. Außerdem schlägt de Maizière die Einrichtung von "Bundesausreisezentren" vor. Diese sollten den Ländern "eine Verantwortungsübergabe" für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts von Ausreisepflichtigen ermöglichen. "Ausreisezentren sind gesetzlich bereits möglich und könnten vorzugsweise in der Nähe deutscher Verkehrsflughäfen errichtet werden", heißt es.
CSU
Der bayerische CDU-Innenminister Joachim Herrmann fordert nach dem Anschlag in Berlin schärfere Kontrollen an bundesdeutschen Grenzen und die Ausweisung von Gefährdern. Um "gefährliche Leute bestmöglich zu überwachen", spricht er sich für die elektronische Fußfesseln aus. Herrmann verlangt außerdem ein Smartphone-Verbot für Gefährder. "Bis zur Ausreise können sich verschiedene Überwachungsmaßnahmen anschließen wie Verpflichtung zur Wohnsitznahme, Meldeauflagen und spezielle Kommunikationsauflagen, beispielsweise Telefonate nur noch über ein bestimmtes, nicht internetfähiges Telefon zu führen." Die CSU fordert "einen neuen Haftgrund für Gefährder", um islamistische Gefährder in Abschiebehaft nehmen zu können. CSU-Chef Horst Seehofer will außerdem die Klage-Möglichkeiten für Asylbewerber einschränken, um die Verfahren zu beschleunigen. Für sinnvoll hält die Partei auch die Möglichkeit, Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zurück nach Afrika zu bringen. Zu den Plänen von CDU-Innenminister de Maizieren für mehr Bundeskompetenz beim Thema Sicherheit äußert sich die CSU skeptisch. Eine "reine Kompetenzverlagerung wäre das Falsche", sagt Generalsekretär Andreas Scheuer n-tv.
SPD
SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat am Montag sein Papier "Zeit für mehr Sicherheit in Zeiten wachsender Unsicherheit" präsentiert. Gabriel zeigt sich darin offen für Forderungen nach mehr Videoüberwachung, Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder und eine stärkere Nutzung sogenannter elektronischer Fußfesseln zur Überwachung verurteilter Straftäter. Von einigen Forderungen von CDU und CSU grenzt sich Gabriel ab. Er spricht sich gegen sogenannte Transitzonen aus, in denen Asylbewerber an den Grenzen zunächst festgehalten werden. Die Schaffung eines neuen Haftgrundes zur Inhaftierung von Gefährdern lehnt die SPD ebenfalls ab. Kritik gibt es auch an dem Vorschlag de Maizières, einen zentralen Verfassungsschutz einzurichten. Die faktische Auflösung aller Landesämter für Verfassungsschutz hätte den Verlust von Fachwissen und damit "erhebliche Sicherheitslücken zur Folge", argumentiert Innenexperte Burkhard Lischka.
Die Sozialdemokraten wollen den islamistischen Terror auch kulturell bekämpfen. Der Propaganda der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) will man eine Aufklärungs- und Informationskampagne entgegensetzen und auch den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. "Gute und lebendige Städte und Gemeinden schaffen, Beschäftigung sichern, Kultur fördern, soziale Sicherheit gewährleisten, in Bildung investieren" seien ebenso wichtig wie die Verbesserung der Sicherheitsarchitektur, heißt es in Gabriels Papier.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen fordern eine rasche Klärung der Hintergründe des Anschlags in Berlin. Viel Anlass für Veränderungen sieht die Partei jedoch nicht. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wies Forderungen nach Gesetzesverschärfungen der anderen Parteien zurück. "Grundsätzlich sind die Gesetze bewährt und in Ordnung, Probleme gibt es offensichtlich beim Vollzug", sagte sie. Offener zeigte sich Grünen-Chef Cem Özdemir. "Wenn es bei der Abschiebung von Kriminellen Defizite in der Umsetzung von bestehenden Gesetzen gibt oder Gesetzeslücken, dann muss man das prüfen", sagte er. Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz nannte Videoüberwachung an "besonders gefährdeten Orten" sinnvoll.
FDP
Wie die Liberalen auf den Anschlag in Berlin reagieren wollen? "Im Falle solcher Gefährder muss der Staat als 'ultima ratio' zur Kontrolle und zum besseren Schutz der Bevölkerung auch elektronische Fußfesseln einsetzen können", sagte Parteichef Christian Lindner n-tv.de. Er spricht sich außerdem für eine Initiative für europäischen Grenzschutz mit mindestens 15.000 Beamtinnen und Beamten aus. Im Umgang mit Asylbewerbern schlägt er in der "Bild"-Zeitung vor: "Qualifizierte Zuwanderer, die dauerhaft bleiben, suchen wir selbst aus. Wer als Flüchtling kommt, weil er bei uns Schutz sucht, muss in der Regel wieder gehen, sobald die Lage im Ursprungsland wieder sicher ist. Wer ausreisepflichtig ist und sich strafbar macht, gehört in einen Abschiebearrest." Dafür müssten die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Menschen, von denen eine Gefahr ausgehe, dürften sich in Deutschland nicht mehr frei bewegen. Lindner schlägt drei Abstufungen vor: Meldeauflage bei der Polizei, elektronische Fußfessel, Abschiebearrest. Für die Aufklärung der Hintergründe und eines möglichen Versagens der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin fordert Lindner einen Untersuchungsausschuss.
Die Linke
Eine Anfrage von n-tv.de bei der Bundestagsfraktion ergab: In Reaktion auf den Anschlag kurz vor Weihnachten gibt es bei den Linken keine Überlegungen, die eigene sicherheitspolitische Agenda zu ändern oder zu ergänzen. Die Partei sieht dazu keinen Anlass. Ein Papier oder etwas Ähnliches ist auch nicht geplant. Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke kritisiert die Vorschläge von Innenminister de Maizière. Sie bezeichnete diese als "Frontalangriff auf das föderale Prinzip der Bundesrepublik". Dies "sollte als Lehre aus dem verbrecherischen Naziregime eine zentralstaatliche Machtkonzentration verhindern", so Jelpke. Die Vorschläge des Ministers stellten nichts weniger dar "als den Einstieg in einen autoritären Polizeistaat mit deutschem FBI und zentralisiertem Inlandsgeheimdienst außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle".
AfD
Aus Sicht der AfD ist der Anschlag in der Hauptstadt unmittelbar mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung verbunden. Wie auch konservative CDU-Politiker wie etwa Wolfgang Bosbach fordert die Partei ein sofortiges Einreiseverbot für Menschen mit ungeklärter Identität. "Die Grenzen müssen endlich kontrolliert werden, so dass niemand illegal einreisen kann, so dass es keine mehrfachen Identitäten geben kann, so dass polizeibekannte Asylbewerber sofort abgewiesen werden können", sagt der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland. AfD-Chefin Frauke Petry fordert nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, die Herkunft von Straftätern künftig per DNA-Analyse zu ermitteln. In Zürich sei diese Methode bereits nach einem Anschlag auf eine Moschee genutzt worden, um gezielter nach dem Täter suchen zu können, sagte Petry. Polizeibekannte ausreisepflichtige Gefährder sollen bis zur ihrer endgültigen Abschiebung außerdem in Abschiebehaft bleiben – auch das fordert die AfD, ähnlich wie die CSU.
Quelle: ntv.de