Ammenmärchen aus Deutschland Wien gefällt Berliner Grexit-Debatte nicht
06.01.2015, 07:20 Uhr
Das Grexit-Gespenst erschreckt die Börsen und die Politik.
(Foto: imago stock&people)
In der Debatte über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone sind immer mehr Stimmen zu hören, die Deutschland zur Zurückhaltung aufrufen. So heißt es beispielsweise aus Wien, dass man sich nicht "in Wahlkämpfe anderer Länder" einzumischen habe.
Österreich hat sich in die Debatte über Griechenlands Zugehörigkeit zur Eurozone eingeschaltet und Deutschland zur Zurückhaltung ermahnt. Es sei weder angebracht, sich "in die Wahlkämpfe anderer Länder" einzumischen, noch die in einem Wahlkampf getroffenen Aussagen überzuinterpretieren, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling der Zeitung "Die Welt". Es gelte nun, zunächst "in Ruhe den Ausgang der Wahlen abzuwarten".
In Griechenland wird Ende Januar ein neues Parlament gewählt. Bei den Wahlen könnte die linke Syriza-Partei stärkste Kraft werden. Deren Vorsitzender Alexis Tsipras fordert eine Abkehr vom strikten Sparkurs sowie Verhandlungen über einen Schuldenschnitt mit den internationalen Gläubigern. Aus diesem Anlass wird derzeit kontrovers über eine mögliche Abkehr Athens vom Euro (Grexit) debattiert. Der "Spiegel" hatte am Wochenende unter Berufung auf Regierungskreise gemeldet, in der Bundesregierung werde ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone inzwischen als hinnehmbar eingestuft.
Schelling sagte indes, er gehe davon aus, dass Griechenland seine Auflagen auch nach den Wahlen "so wie bisher einhält und damit zu den getroffenen Vereinbarungen auch weiterhin steht".
Kritik an Drohkulissen
Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor diesem Hintergrund. Die CDU-Chefin leite aus Angst vor der eurokritischen Partei AfD, aus innenpolitischen Gründen sowie "ohne sachliche Begründung eine Kehrtwende unserer Europapolitik ein", sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises dem "Handelsblatt". Dabei werde "ohne Not mit dem Euro-Austritt gezündelt".
Kahrs betonte, es sei wichtiger, von Griechenland die Fortführung der Reformpolitik zu fordern. Er warnte vor "unkalkulierbaren Folgen", sollte Griechenland die Gemeinschaftswährung verlassen.
Auch der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte die Regierung auf, die Wahl in Griechenland abzuwarten und das Ergebnis zu respektieren, "anstatt vorher Drohkulissen aufzubauen". Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dem in Griechenland vorherrschenden Gefühl, von Europa erpresst zu werden, dürfe die Regierung "nicht weiter Vorschub leisten".
FDP-Chef Christian Lindner warnte im Gespräch mit derselben Zeitung davor, den Austritt Griechenlands aus dem Euro "regelrecht herbeizureden". Damit würden die Fortschritte in der gesamten Eurozone leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Einen Austritt hält er selbst allerdings zwar nicht für "wünschenswert", allerdings für "verkraftbar".
Auch Syriza-Chef Alex Tsipras kritisierte die Debatte in Deutschland. In einem Beitrag für die "Huffington Post" warf er der Bundesregierung vor, "Ammenmärchen und Geschichten vom Austritt Griechenlands" zu erzählen. Seine Partei beschrieb er als "Aussicht auf einen Kurswechsel für ganz Europa".
Quelle: ntv.de, ppo/AFP