"Haus der Statistik" am Alex Ziehen 1000 Flüchtlinge nach Berlin-Mitte?
15.12.2015, 15:27 Uhr
(Foto: imago/STPP)
Mehr als 68.000 Flüchtlinge sind in diesem Jahr nach Berlin gekommen. Doch noch immer reichen die Unterkünfte nicht aus. Nun gerät eine geschichtsträchtige Immobilie ins Visier - mitten im Zentrum der Hauptstadt.
Wenn das Graffito nicht wäre, nach Farbe würde man am "Haus der Statistik" vergebens suchen. Abfall, Wildwuchs, Schutt, abblätternder Putz, der triste graue Stahlbeton – Tristesse und Verfall, wohin man blickt. Der einst stolze sozialistische Plattenbau am Berliner Alexanderplatz ist eine Ruine. Nur das alte Relief einer Kaffeetasse und zwei einsame Fahnenmasten am abgeriegelten Eingang erinnern an früheren Glanz. Heute dient das neun- bis elfgeschossige Gebäude nur noch dazu, Hunderten von Konzertplakaten Platz zu bieten.

Bis 2008 befanden sich das Statistische Bundesamt und die Behörde für Stasiunterlagen im "Haus der Statistik" am Berliner Alexanderplatz.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das könnte sich bald ändern. In der Hauptstadt gibt es angesichts der mehr als 68.000 Flüchtlinge, die bis Anfang Dezember in Berlin angekommen sind, großen Platzbedarf. Das Haus an der Otto-Braun Straße könnte neben dem ehemaligen Flughafen Tempelhof, der Zeltstadt in Spandau und dem alten Rathaus Wilmersdorf eine der großen Flüchtlingsunterkünfte werden. Geht es nach dem Berliner Bezirksamt Mitte und einer Initiative von Stiftungen und Künstlervereinen, dann sollen hier bis zu 1000 Menschen untergebracht werden.
Bezirksbürgermeister Christian Hanke nannte die Pläne eine "einmalige Chance für den Alexanderplatz" und zur Schaffung einer "gentrifizierungsfesten Insel" mitten im Stadtzentrum. Zu den Fürsprechern zählt auch Kulturstaatssekretär Tim Renner. Nach Plänen der Initiatoren bietet das Gebäude aktuell 40.000 Quadratmeter Nutzfläche, nach einem Ausbau sogar bis zu 100.000, die für Flüchtlinge und Künstlerateliers genutzt werden könnten. Die Renovierung soll im Wohnbereich etwa 1000 Euro pro Quadratmeter kosten, für Büros und Ateliers werden 500 Euro veranschlagt. Für den Umbau und die Renovierung der bestehenden Räumlichkeiten kalkulieren die Planer mit Kosten von etwa 50 Millionen Euro.
Seit 2008 leerstehend
"Die Bauarbeiten könnten sofort beginnen", sagt Florian Schmidt, der Atelierbeauftragte der Stadt. "Wenn man ehrgeizig rechnet, ließen sich die Räumlichkeiten innerhalb eines Jahres herrichten. 2017 könnten die ersten Flüchtlinge einziehen." Schmidt zufolge ist der innere Zustand des Gebäudes weit besser, als der Blick von außen vermuten ließe. In den alten Büroräumen seien Heizungen und Beleuchtung vorhanden, Wände eingezogen, der Brandschutz entspreche dem Stand von 2008 und bedürfe keines neuen Konzeptes.
Klingt so einfach, aber das ist es nicht. In dem 1970 fertiggestellten Gebäude befanden sich bis zur Wiedervereinigung die staatliche Zentralverwaltung für Statistik, im Erdgeschoss unter anderem Gaststätten und ein Geschäft mit Produkten aus der Sowjetunion. Nach dem Fall der Mauer zogen eine Außenstelle des Bundesamtes für Statistik und die Behörde für Stasiunterlagen ein. Seit 2008 steht das Gebäude leer. Zwei Jahre später gewann ein Berliner Architekturbüro einen Wettbewerb für die Neunutzung des Areals, aber es änderte sich nichts. Weil im Sommer einige Fensterscheiben des Gebäudes auf den Gehweg fielen, baute man aus Sicherheitsgründen fast alle Fenster aus und errichtete einen Sperrzaun.
Finanzsenator will Verwaltungsstandort
Das nicht denkmalgeschützte Gebäude gehört dem Bund, soll aber an das Land verkauft werden. Als die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das Objekt im Frühjahr mietfrei anbot, lehnte das Land Berlin jedoch ab. Aktuell wird der Status des Gebäudes von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung neu geplant. Das Bezirksamt Mitte will nun mit dem Senat über den möglichen Einzug von Flüchtlingen verhandeln. Staatssekretär Christian Gaebler will den Vorschlag "wohlwollend" prüfen.
Im Senat gab es bisher verschiedene Optionen für den alten DDR-Bau. Als wahrscheinlich galt bis zuletzt ein Komplettabriss und Neubau von Büro- oder privaten Wohngebäuden. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen bevorzugt die Nutzung als Verwaltungsstandort – für das Finanzamt oder die Bezirksverwaltung Mitte, für die man neue Räumlichkeiten sucht. Der Kaufpreis wäre dann auch günstiger als bei einer Mischnutzung, heißt es.
Ist das das Aus für die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft? Der Atelierbeauftragte Schmidt sieht das nicht so. "Es wäre merkwürdig, wenn der Bund das Haus zum Höchstpreisverfahren ausschreibt, wenn es um Flüchtlinge geht. Das Haus der Statistik ist ohnehin ein Sonderfall. Ich glaube nicht, dass sich der Bund verschließen würde." Der Senatsverwaltung Finanzen zufolge soll in der ersten Jahreshälfte 2016 eine Entscheidung fallen.
Quelle: ntv.de