Schlinge zieht sich langsam zu Assad steht mit Rücken zur Wand
28.11.2011, 12:25 Uhr
Baschar al-Assad klammert sich an die Macht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für Baschar al-Assad wird die Lage immer schwieriger. Der syrische Präsident führt seit Monaten Krieg gegen das eigene Volk. Nun sieht er sich Sanktionen der Staaten der Arabischen Liga gegenüber. Allerdings ist ein Einlenken des Damaszener Machthabers nicht in Sicht. Den Syrern wird weiteres Blutvergießen nicht erspart bleiben.
Baschar al-Assad steht unter starkem Druck. Dass der Westen den Terrorfeldzug des syrischen Diktators gegen sein eigenes Volk verurteilt, ist nicht überraschend. .
Diese tun dem Machthaber in Damaskus ohne Zweifel weh, denn nahezu die Hälfte seiner Exporte geht in die arabische Welt. Zudem ist das Einfrieren der Auslandsvermögen ranghoher Regimevertreter eine für die Arabische Liga bislang beispiellose Sanktion. Das Reiseverbot werden Assad und seine Helfershelfer allerdings verschmerzen können, denn ihre Reiselust hält sich derzeit wegen der Angst um den Machtverlust doch sehr in Grenzen.
Allerdings wäre es wohl naiv, den Schritt der arabischen Staaten ausschließlich als Unterstützung der Demokratiebewegung zu sehen. Mehrere Staaten - erwähnt seien in diesem Zusammenhang Saudi-Arabien, Kuwait oder - werden ebenfalls von Despoten regiert. So kann sich Bahrains König Hamad bin Isa al-Khalifa nur durch aktive Mithilfe des großen Nachbarn Saudi-Arabien an der Macht halten. Sie befürchten, dass die Menschen in ihren Ländern vom aus Tunesien, , und auch Syrien ausgehenden revolutionären Virus "infiziert" werden. Die Könige, Scheichs und Emire vollziehen mit den Sanktionen gegen das ihnen suspekte säkulare Regime in Damaskus einen Drahtseilakt. Aus reinem Machtkalkül gaukeln sie ihren Völkern Solidarität mit den unterdrückten Syrern vor. Es ist eine schon eine eigenartige Situation: Die gekrönten Häupter Arabiens sitzen in der Syrien-Frage in einem Boot mit den Übergangsregierungen Tunesiens und Libyens.
Und ein weiterer Umstand zwingt die Araber aus ihrer Sicht zum Handeln. Katars Außenminister Scheich Hamad bin Dschassim al-Thani gibt unumwunden zu, dass Ziel ihrer Maßnahme auch sei, einer westlichen Einmischung in den Konflikt zuvorzukommen. So wollen sie ein zweites Libyen unbedingt verhindern. Allerdings ist die Befürchtung eines militärischen Eingreifens des Westens derzeit unbegründet. Er zieht dieses wegen der besonderen geografischen Lage Syriens - unter anderem die gemeinsame Grenze mit Israel und die Gefahr eines Übergreifens der Unruhen auf Libanon und Irak - nicht in Erwägung. Zudem spielen in den USA und Europa haushaltspolitische Aspekte eine große Rolle. Assad ist ein Nutznießer der grassierenden Schuldenkrise.
Allerdings ist auch die arabische Front gegen Syrien nicht geschlossen. So enthielten sich Libanon und der Irak der Stimme. Das Verhalten der Regierungen in Beirut und Bagdad ist dabei nur allzu verständlich. Assad und die Seinen haben im politisch äußerst fragilen Libanon nach wie vor großen Einfluss. So unterstützen sie gemeinsam mit dem Iran die im Zedernstaat sehr einflussreiche Hisbollah. Libanons sunnitischer Ministerpräsident Nadschib Miqati ist zudem ein Freund des syrischen Diktators. Trotz innenpolitischer Probleme ist Assad nach wie vor in der Lage, das Pulverfass Libanon zum Explodieren zu bringen. Ähnlich verhält sich die Lage im Irak, wo die proiranischen Schiiten die Mehrheit stellen und auch die Sunniten einen starken Machtfaktor darstellen. Die ohnehin nicht fest im Sattel sitzende irakische Mehrparteienkoalition will Ruhe an ihrer Westgrenze.
Opposition gespalten
Der Alawit Assad - die Religionsgruppe stellt nur sechs Prozent der syrischen Bevölkerung - lässt sich von den Sanktionen noch nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Sein Regime erhöht den Druck. So starben auch nach Verhängung der Sanktionen dutzende Menschen. Dem 46-Jährigen kommt dabei entgegen, dass die Opposition in sich gespalten ist. So streiten die syrischen Regimegegner über das künftige Vorgehen gegen Assad. Das in Syrien gegründete Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC), dessen Vertreter zum Gespräch mit der Arabischen Liga nach Kairo kamen, glaubt an einen Dialog mit dem Präsidenten. Der aus dem Exil in Istanbul heraus agierende syrische Nationalrat (SNC) setzt sich indes für einen Sturz Assads ein. Andere Gruppen wiederum plädieren für einen NATO-Militäreinsatz wie in Libyen.
In diesem Zusammenhang kommt die lange Zeit mit Assad befreundete Türkei ins Spiel. Ihr starker Mann, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, vollzog eine dramatische Kehrtwende und verglich das Syrien unter Assad sogar mit dem Deutschland unter Adolf Hitler. Gegen sein eigenes Volk bis in den Tod zu kämpfen, sei nicht heldenhaft, sondern feige, sagte der Türke. Mit dieser klaren Aussage schlägt Ankara die Tür für den Machthaber im südlichen Nachbarland endgültig zu. Im Klartext: Für Assad bleibt nach Ansicht der Türkei nur der Rücktritt.
Der Syrer befindet sich zweifellos in einer Sackgasse. . Geheimdienst und Armee – ihre führenden Vertreter haben ebenfalls viel zu verlieren - stehen hinter ihm. Zudem hat Assad zwar wenige, aber dafür starke Verbündete. Russland und China haben den Daumen noch nicht gesenkt. Aus alter Verbundenheit zum Assad-Clan verhindern die Regierungen in Moskau und Peking - noch - die Verurteilung Syriens durch die Vereinten Nationen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow beklagt sogar ein "gefährliches Aufwiegeln der syrischen Opposition" und den Ausschluss Syriens aus der Arabischen Liga. Er und sein Präsident Dmitri Medwedew äußern sogar offen die Befürchtung, dass Terroristen die Macht in Damaskus übernehmen könnten. Moskau favorisiert Verhandlungen in Syrien unter Beteiligung der Opposition. Ein weiterer Verbündeter ist das Mullah-Regime im Iran. Allerdings stehen die Teheraner Machthaber wegen des Atomstreits mit dem Westen derzeit selbst stark unter Druck.
Implosion des Regimes?
Es ist unwahrscheinlich, dass es eine politische Lösung mit Assad überhaupt geben kann. Tausende Syrer sind in den vergangenen Monaten dem Terror zum Opfer gefallen. Im Gegensatz zu Libyens Muammar al-Gaddafi begeht Assad nicht den aus seiner Sicht verhängnisvollen Fehler, einen Teil des Territoriums der Opposition zu überlassen. Nach derzeitiger Lage ist ein Ende der Gewalt in Syrien nicht in Sicht. Möglich ist, dass das Regime implodiert - dass Assad von Gefolgsleuten, die um ihre Pfründe fürchten, gestürzt wird. Erste Absetzbewegungen innerhalb der Armee sind bereits zu verzeichnen.
Der studierte Augenarzt steht mit dem Rücken zur Wand. Weil er anscheinend nichts mehr zu verlieren hat, wird sein Regime in seiner Brutalität nicht nachlassen. So wird der Blutzoll, den die Syrer zu entrichten haben, weiterhin sehr hoch sein.
Quelle: ntv.de