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Fernsehaffäre beschäftigt CSU Äußerst dumme Aktion

Hans Michael Strepp sorgt für großen Wirbel.

Hans Michael Strepp sorgt für großen Wirbel.

(Foto: dapd)

Der Anruf von CSU-Sprecher Strepp beim ZDF sorgt für Kopfschütteln. Handelt er im Auftrag seiner Vorgesetzen, oder ist er einfach nur übereifrig? Ministerpräsident Seehofer ist bemüht, die Affäre einzudämmen. Das ist auch nötig, denn er und die CSU haben viel zu verlieren.

Wer ist eigentlich Hans Michael Strepp? Diese Frage bewegt die Menschen in Bayern und in der gesamten Bundesrepublik. In der Paulaner-Brauerei auf dem Nockherberg, einer kleinen Geländeterrasse oberhalb der Isar zwischen den Münchner Stadtteilen Giesing und Au ist man mit Sicherheit alarmiert, findet doch dort jährlich in der Fastenzeit der traditionelle Starkbieranstich statt, dessen Höhepunkt das sogenannte Politiker-Derblecken ist.

Nur Ärger mit dem Personal: Horst Seehofer bleibt lieber in Bayern.

Nur Ärger mit dem Personal: Horst Seehofer bleibt lieber in Bayern.

(Foto: dapd)

Im Paulaner-Festsaal in der Hochstraße 77 wird dann vor versammelten Prominenten und Menschen, die weniger bekannt sind, die bayerische Landespolitik aufs Korn genommen, auch ausgewählte Bundespolitiker bekommen vom Festredner ihr Fett weg. Höhepunkt ist das sich daran anschließende Singspiel, bei dem Horst Seehofer, Markus Söder, Christian Ude, Angela Merkel und andere durch Schauspieler dargestellt werden. Eigentlich ist das eine lustige Geschichte, denn die politischen Akteure werden bei bierseliger Stimmung regelrecht durch den Kakao gezogen. Lachen ist Pflicht. Bei zu derben Späßen gefriert beim Betroffenen das Lachen schon einmal - seine Mimik bekommt etwas Maskenhaftes. Aber zu dessen Beruhigung: Wer oft genannt wird, ist wichtig. Dementsprechend lässt man den beißenden Spott gerne über sich ergehen. Die Eitelkeit siegt über den Schmerz. Die Tatsache, dass der Bayerische Rundfunk seit 1982 über den Starkbieranstich berichtet, sorgt für ein breites Publikum. Fernsehen hat doch sein Gutes.

Doch nun rauchen bei den Organisatoren des Derbleckens die Köpfe. Dafür sorgt Strepp, der CSU-Sprecher, von dem außerhalb des Freistaates bislang kaum jemand Notiz genommen hat. Er drängt jetzt regelrecht ins Singspiel - ein weiterer Schauspieler muss her. Dabei hat Strepps plötzliche Bekanntheit gar keinen so lustigen Hintergrund, denn er soll versucht haben, . Angeblich war ihm die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Senders zum Landesparteitag der bayerischen SPD in Nürnberg ein Dorn im Auge. Dort ist nämlich - mit mehr als 99 Prozent der Delegiertenstimmen. Auch ins Berliner ARD-Hauptstadtstudio soll der übereifrige Parteiarbeiter Kontakt aufgenommen haben, allerdings "nur" als Anfrage. Die Affäre schaukelt sich derart hoch, dass sich . Die Sache ist also brisant, der CSU-Chef hat eine für seine Partei unangenehme und gefährliche Affäre zu managen.

Kleinlauter "General"

Und Seehofer versucht, sich an die Spitze der Aufklärungsbewegung zu stellen. Aus seiner Sicht tut er gut daran, denn die Aktion seines Parteisprechers gefährdet das Projekt Alleinregierung. Die derzeit guten Umfragewerte, die der CSU bei der Landtagswahl im Herbst 2013 eine absolute Mehrheit versprechen, sind nicht in Stein gemeißelt. Die Zeit bis zum Urnengang ist noch lang. Machen die Christsozialen zu viel Unsinn, dann schmilzt der Vorsprung, den die Schwarzen vor einem etwaigen Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern haben, so schnell dahin wie der Schnee in der Sonne. Also muss ein Feuerwehrmann her, der den Brand löscht. Für Seehofer ist das Chefsache.

Mitunter sehr gespanntes Verhältnis zu den Medien: Franz Josef Strauß.

Mitunter sehr gespanntes Verhältnis zu den Medien: Franz Josef Strauß.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Was hat Strepp eigentlich geritten? Hat er im Auftrag der Partei gehandelt? Fragen über Fragen, die der Aufklärung bedürfen. Der sonst so wortgewaltige CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der EZB-Präsident Mario Draghi schon einmal einen "Falschmünzer" nennt, versucht ziemlich kleinlaut seinen Sprecher aus der Schusslinie zu nehmen. Strepp habe bei seinem Anruf nicht versucht, auf die Berichterstattung des ZDF Einfluss zu nehmen, sagt Dobrindt - basierend auf Äußerungen seines Untergebenen. Ja, warum ruft dieser dann in Mainz überhaupt an? Er wird sich mit der "heute"-Redaktion doch nicht über unterhalten haben. In der Regel weiß doch ein Pressemensch, was er mit einem solchen Anruf bewirkt. Wenn nicht, dann war Strepp von vornherein eine absolute Fehlbesetzung.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Politik Einfluss auf die öffentlich-rechtliche Presse nimmt. Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der jetzt eine Talkshow für n-tv macht, kann ein Lied davon singen. Auf Betreiben der Union, allen voran Hessens Ex-Regierungschef Roland Koch, wurde sein im März 2010 auslaufender Vertrag nicht verlängert. Die ARD-Satiresendung "Scheibenwischer" brachte in den 1980er Jahren den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß auf die Palme - die Karikierung des Baus der zentralen Abschnitte des Main-Donau-Kanals und der Rolle, die freistaatliche Regierungsmitglieder dabei spielten, war für den barocken Münchner zu viel. 1986 blendete sich auf sein Betreiben hin der Bayerische Rundfunk für die Dauer der Ausstrahlung einer Folge aus dem gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD aus.

Allerdings ist Strepp nicht Strauß. Anders als das Schwergewicht Strauß ist auch Seehofer als bayerischer Ministerpräsident kein "Sonnenkönig", der unangefochten zwischen Rhön und Alpen regiert. Die CSU ist verwundbar geworden, die Koalition mit der FDP in München bedeutet für sie eine Schmach. Macht den Sprecher deshalb die Ausstrahlung des Konvents einer Partei wie der SPD, die derzeit bei 20 Prozent vor sich hin dümpelt, so nervös? Fakt ist, dass die CSU so zum wichtigsten Wahlhelfer für die Sozialdemokraten und ihren Spitzenkandidaten Ude mutiert.

Einflussnahme? In jedem Fall war Strepps Anruf eine äußerst dumme Aktion. Am besten wäre es vielleicht, wenn er sein Vorgehen - damit wären wir wieder beim Nockherberg - mit einer heimlichen, vorzeitigen Starkbier-Verkostung begründen würde.

Quelle: ntv.de, dpa

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