Zu Besuch in Berlin David Cameron, der unlautere Reformer
29.05.2015, 20:58 Uhr
Merkel und Cameron auf ihrem Weg ins Kanzleramt.
(Foto: REUTERS)
Großbritanniens Premier wirbt bei Bundeskanzlerin Merkel für eine Reform der EU. Doch ihm geht es alleine darum, den Sonderstatus der Briten auszubauen. Die EU darf dem nicht nachgeben, selbst wenn Großbritannien deshalb aus der Union aussteigen sollte.
David Cameron erzählt die immer gleiche Geschichte. Er wiederholt seine Sprüche von der Reform, die nötig und allen EU-Ländern dienlich sei. Er wiederholt sein pauschales Gerede von weniger bürokratischen Hürden. Und er trällert immerzu das Lied von mehr nationaler Eigenverantwortung. Großbritanniens Premier tourt seit Tagen durch Europa, um die Regierungen in Paris, Den Haag, Warschau oder Berlin von seinen Plänen zu überzeugen. Er will eine Reform der EU. Das klingt zunächst gut, doch de facto geht es ihm gar nicht um Europa, sondern alleine um Großbritannien. Und um sich selbst.
Cameron hat sich in eine Sackgasse manövriert. Er gewann die letzte Wahl vor allem, weil er den EU-skeptischen Briten versprach, sie dürften im Falle seiner Wiederwahl über den Verbleib ihres Landes in der Union abstimmen. Das soll schon im nächsten Jahr passieren. Da er selbst einen Brexit – den Exit Britanniens – vermeiden möchte, will Cameron bei der EU Vergünstigungen für das Vereinigte Königreich herausholen.
Von Gemeinnützigkeit reden und nur im Eigeninteresse handeln – das ist unlauter. Und nicht mehr vertretbar wäre es, den Briten weitere Sonderrechte einzuräumen. Immer noch erhalten sie den sogenannten Briten-Rabatt, der es ihnen ermöglicht, weniger in den EU-Haushalt einzuzahlen, als sie eigentlich müssten. Sie sind dem Schengen-Raum nicht beigetreten, und auch bei der geplanten Verteilung von Flüchtlingen in der EU nach Quoten halten sie sich raus.
Cameron fehlt das Erpressungspotenzial
Die EU kann auf Dauer nur funktionieren, wenn sie einheitlicher auftritt als bisher, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Je vereinter die Union politisch ist, desto schneller funktionieren Entscheidungsprozesse. Je vereinter sie wirtschaftlich ist, desto geringer ist die Gefahr, dass sich die Eurokrise wiederholt. Und da passt es nicht, wenn einzelne Staaten ständig eine Extrawurst gebraten haben wollen. Das gilt vor allem für Großbritannien.
Natürlich wäre es gut, wenn die Briten weiterhin der EU angehören. Ihr liberaler Denkansatz ist mitunter ein wohltuendes Korrektiv zur Brüsseler Neigung, jedes Detail regeln zu wollen. Aber sich den Verbleib in der Staatengemeinschaft durch die Gewährung weiterer Sonderrechte zu erkaufen, wäre unfair gegenüber allen anderen Mitgliedern, die nicht auf Sonderrechte pochen.
Die EU kann sich Camerons Ansinnen in aller Ruhe widersetzen. Denn dem Premier fehlt das Erpressungspotenzial. Er weiß selbst, dass er mit seinem Kurs die Einheit seines Landes gefährdet. Sollten die Briten mehrheitlich für den Brexit stimmen, würde sich Schottland unweigerlich abspalten. Denn die Schotten wollen unbedingt in der EU bleiben. Auch ohne Rabatte und Sonderrechte. Cameron muss selbst zusehen, wie er wieder aus der Sackgasse heraus kommt, in die er sich hineinmanövriert hat.
Quelle: ntv.de