Großkreuz für die Altkanzlerin Der Orden für Merkel kommt zum falschen Zeitpunkt


An diesem Montag erhält Angela Merkel im Schloss Bellevue das "Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung".
(Foto: REUTERS)
Möglich, dass die ehemalige Bundeskanzlerin einen Orden verdient hat. Doch zu diesem Zeitpunkt droht die Verleihung die Debatte über ihre Fehler zu ersticken. Das wäre fatal.
Kritik an Altkanzlerin Angela Merkel kommt von ganz unterschiedlichen Seiten. Aus der FDP und ihrer eigenen Partei, der CDU, wird ihr beispielsweise der Atomausstieg vorgeworfen, von den Grünen und der SPD Versäumnisse beim Ausbau der Erneuerbaren. Beides stimmt. Merkels Regierungen haben Deutschland nicht gut genug auf den Atomausstieg vorbereitet.
Ist es deshalb falsch, dass der Bundespräsident ihr heute den höchsten Orden verleiht, den man als Ex-Kanzlerin in Deutschland bekommen kann? Nicht unbedingt. Falsch ist der Zeitpunkt. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat recht, historische Größe lässt sich "in der Politik erfahrungsgemäß erst mit weiterem zeitlichen Abstand erkennen". Derzeit kann jedes Urteil über Merkel nur vorläufig sein.
Sicher dürfte sein, dass die Bilanz der früheren Kanzlerin zumindest durchwachsen ist. Merkels Anhänger nehmen für die Altkanzlerin in Anspruch, dass sie das Land gut durch eine Reihe von Krisen gebracht habe. Das sieht Merkel wohl ebenfalls so, und falsch ist es nicht. Richtig ist aber auch, dass das Land nach ihrer Amtszeit bei weitem nicht in dem Zustand war, in dem es hätten sein können und müssen. Ob es um die Bahn geht, die Digitalisierung, die Bundeswehr oder die Energieinfrastruktur - Merkel hat so viele Großbaustellen hinterlassen, dass man schon fragen sollte, ob dafür ein Großkreuz in besonderer Ausführung gerechtfertigt ist.
Als Vorbild taugt Merkel nicht
"Wer Politik macht, der macht auch Fehler", sagt Merkels ehemaliger Kanzleramtsminister Peter Altmaier. Richtig. Aber die Ordensverleihung darf nicht die Diskussion über ihre Fehler beenden. Dann besteht das Risiko, dass Merkel künftigen Kanzlern - oder dem derzeitigen Amtsinhaber - als Vorbild für gutes Regieren dient.
Es war nicht alles schlecht unter Merkel, natürlich nicht. Sie war in keine Spendenaffäre verwickelt wie ihr Ziehvater Helmut Kohl, und sie hat sich nicht vom Kreml kaufen lassen. Nach der Basta-Politik ihres Vorgängers Gerhard Schröder war ihre moderierende Amtsführung eine Erholung. Aber mit dieser Methode verbunden war, Veränderungen zu scheuen und es möglichst allen recht zu machen. Das Ergebnis: Nach sechzehn Jahren im Kanzleramt erklärte Merkel im Sommer 2021 lapidar, dass in der Klimapolitik "nicht ausreichend viel passiert" sei. Dann trat sie ab.
Ein Fehler war zudem ihre Russlandpolitik. Nicht zuletzt mit der Ostseepipeline Nord Stream 2 sandten Union und SPD das Signal an Putin, dass er mit seinem Angriff auf die Ukraine durchkommen würde. Sie selbst will ihre Russlandpolitik bis heute nicht als Fehler ansehen. Ja, man kann argumentieren: Soll sie, das spielt keine Rolle mehr. Doch diese Haltung hat Folgen. Wer Fehler nicht eindeutig identifiziert und benennt, tendiert dazu, sie in anderem Gewand zu wiederholen. In der SPD gibt es einflussreiche Stimmen, die eine Haltung zu China fordern, die stark an die gescheiterte Ostpolitik erinnert. Auch CSU-Chef Markus Söder ist mit seiner jüngsten Wortmeldung - 2011 war er für den Atomausstieg 2022, nun, 2023, ist er für ein Weiterlaufen der Kernkraftwerke - näher an der Ex-Kanzlerin, als man auf den ersten Blick annehmen könnte. Wie Söder lief Merkel damals mit ihrer Volte nur der öffentlichen Meinung hinterher: 2010 hatte sie den Atomausstieg der rot-grünen Bundesregierung rückgängig gemacht, ein Jahr später, nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, drehte sie das wieder um. Für sie selbst hat diese Art der Politik funktioniert, dies zeigen ihre Wahlerfolge und Umfragewerte. War es gut für das Land? Diese Debatte muss noch geführt werden.
Quelle: ntv.de