Trump stoppt den Klimaschutz Groß-Inquisitor einer Idee ohne Zukunft
29.03.2017, 07:07 Uhr
Am Dienstag unterzeichnete Donald Trump ein Dekret, das "den Krieg gegen die Kohle" beenden soll. Abgeschafft wird der "Clean Power Plan" von Barack Obama, mit dem erneuerbare Energien gefördert wurden.
(Foto: dpa)
US-Präsident Trump wird es nicht gelingen, den globalen Klimaschutz zu stoppen. Aber er kann den Prozess verlangsamen. Das wäre schlimm genug.
Die eine Geschichte spielt in der Mitte der Vereinigten Staaten: in Kentucky, West Virginia, Texas und in North und South Dakota – in der Region, die von vielen Bewohnern der Ost- und Westküste abschätzig "fly-over America" genannt wird, weil es dort nichts gibt, was aus ihrer Sicht eine Zwischenlandung rechtfertigen würde. Die Helden dieser Erzählung sind die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne der USA, vor allem aber die tapferen Kohlekumpel und die Arbeiter auf den Öl- und Gasfeldern, die der Erde ihre Schätze abringen und so den amerikanischen Traum erst ermöglichen. Als Donald Trump im Wahlkampf sagte, "der amerikanische Traum ist tot", dachte er wohl an diese Geschichte.
Doch in den vergangen Jahren hat ein anderes Narrativ an Zugkraft gewonnen. Immer stärker gelten die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne als Übeltäter. Sie zerstören nicht nur die Natur, sondern tragen auch entscheidend zum Klimawandel bei. Erneuerbare Energien lassen die Förderung von Kohle, Öl und Gas zunehmend obsolet wirken. Die fossile Energieindustrie dient kaum mehr einem gesellschaftlichen Ziel, sondern nur noch der Profitgier einiger weniger extrem reicher Unternehmer.
Donald Trumps am Dienstag unterzeichnetes Dekret zur Neuausrichtung der US-Energiepolitik steht ganz im Zeichen dieses Kampfes der Narrative. Überraschend ist dies nicht: Schon seine Angriffe gegen die Klimawissenschaft im Wahlkampf waren hoch politisch, denn nur wer den Klimawandel oder zumindest jeden menschlichen Einfluss darauf leugnet, kann die Förderung von fossiler Energie auf lange Sicht legitimieren.
Und so versuchen die Republikaner und ihr Präsident mit aller Macht, die Folgen von Kohle-, Öl- und Gasförderung zu verschleiern. Der US-Umweltbehörde EPA sollen die Mittel so stark gekürzt werden, dass eine effektive Überprüfung von lokalen Umweltstandards nicht mehr möglich sein wird. Die Kürzungen treffen auch das Bundesamt für Chemikaliensicherheit sowie die Behörde für Arbeitssicherheit. Laut Trumps Budgetentwurf soll sogar die Finanzierung des "Energy Star", eines überaus erfolgreichen Effizienzlabels, gestrichen werden. Ökonomisch ist dieser Vorschlag nicht zu rechtfertigen: Die Einsparungen durch effiziente Produkte übersteigen die Kosten um ein Vielfaches. Doch in der Logik der Energie-Nostalgiker ist Energiesparen Verrat an den Helden ihrer Geschichte.
Im Juli könnte Trump aus dem Pariser Abkommen aussteigen
In dieser Perspektive wäre der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen nur folgerichtig. Das Pariser Abkommen war im Dezember 2015 von über 190 Staaten verabschiedet worden und wurde anschließend in kürzester Zeit von so vielen Ländern ratifiziert, dass es schon nach weniger als einem Jahr in Kraft treten konnte. Wie sehr der Erfolg dieses Abkommens die Helden-Erzählung der wackeren Energiekonzerne untergraben hat, wird an einer Reaktion der europäischen Kohlelobby deutlich. Der Chef der Vereinigung "Euracoal" schrieb nach dem Gipfel an seine Mitglieder, dass die Vereinten Nationen die fossilen Energieträger nun zum "Staatsfeind Nummer eins" erklärt hätten und er befürchte, dass der Sektor nun "gehasst und verteufelt werde, so wie einst die Sklavenhändler gehasst und verteufelt wurden".
Die Frage ist wohl nicht, ob Trump den Austritt aus dem Abkommen verkündet, sondern lediglich, wann er dies tut. Ein besonders perfider und deshalb aus seiner Sicht wohl effektiver Zeitpunkt wäre kurz vor dem Beginn des G20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli. Die deutsche G20-Präsidentschaft will das Thema Klimaschutz zu einem der zentralen Themen des Treffens machen. Ein Termin kurz vor dem Gipfel würde Trump maximale Aufmerksamkeit sichern – und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Bundesregierung unter starken Druck gerät. Einen Eklat mit einem der historisch wichtigsten Partner Deutschlands könnte sie kaum als Erfolg verkaufen. Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen könnte sie sich deshalb genötigt sehen, das Thema von der G20-Agenda zu nehmen. Trump hätte sein Ziel erreicht: Klimapolitik würde in der internationalen Arena zum Tabuthema.
Trotzdem: Langfristig wird Trump es nicht schaffen, sein nostalgisches Narrativ wieder zu etablieren. Sein Kampf gleicht dem Vorgehen der katholischen Kirche gegen Galileo Galilei: Kurzfristig konnte sich die Inquisition zwar durchsetzen und Galilei dazu zwingen, seine Erkenntnisse zu wiederrufen. Aber sie konnte nichts daran ändern, dass sich die Erde um die Sonne dreht.
Ohne die USA ist das Zwei-Grad-Ziel nicht zu schaffen
Auch Trump und die Republikaner können die Erkenntnisse der Klimawissenschaft leugnen. Die Realität der physikalischen Veränderungen bleibt davon unberührt. Die Welt ist angekommen im "Anthropozän", in dem Zeitalter, in dem der Mensch zum entscheidenden geologischen Faktor geworden ist. Menschliches Handeln prägt die geophysischen Systeme stärker als natürliche Faktoren.
Genauso wenig wird es Trump gelingen, ökonomische und technologische Entwicklungen rückgängig zu machen. Schon sind es nicht mehr die USA und die anderen Industrieländer, die die globale Energiewende vorantreiben. Sowohl bei Technologien als auch bei Investitionen liegen inzwischen die großen Schwellenländer vorn, allen voran China. Während in den Industrieländern die Investitionen in erneuerbare Energien zuletzt sogar leicht zurückgingen, stiegen sie in Entwicklungsländern so stark an, dass sie die Investitionen der Industrieländer als Gruppe zum ersten Mal übertrafen.
Auch auf der politischen Ebene scheint Trumps Kurs wenig Anklang zu finden. Auf dem UN-Klimagipfel in Marrakesch im November zeigten sich die Delegierten zwar kurz schockiert, als das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen bekannt wurde. Aber schnell gingen die Verhandlungen in einer "jetzt erst recht"-Stimmung weiter. Am Ende stand eine Deklaration, in der sich alle Staaten noch einmal eindeutig zu den Pariser Beschlüssen bekannten. Auch seither gab es keine Signale, die nahelegen, dass sich daran etwas geändert haben könnte.
Die Geschichte der tapferen Kohlekumpel und Ölarbeiter hat die US-amerikanische Kultur geprägt, von John Rockefeller bis Bruce Springsteen. Das ist Vergangenheit. Die Erosion der gesellschaftlichen Legitimation der Förderung und Nutzung von Kohle, Öl und Gas hat begonnen. Donald Trump wird diesen Prozess nicht aufhalten können. Er kann ihn aber verlangsamen. Das hätte dramatische Folgen. Eine gerade veröffentlichte Studie zeigt, dass zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels die globalen Treibhausgasemissionen schon 2020 nicht weiter steigen dürfen und anschließend alle zehn Jahre halbiert werden müssen. Ohne die USA wird dies kaum zu schaffen sein. Das Klima droht zum Kollateralschaden eines US-amerikanischen Kulturkampfes zu werden.
Lukas Hermwille ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
Quelle: ntv.de