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Politik und Moral Merkel steht in der Mitte

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(Foto: dpa)

In der Flüchtlingspolitik wählt die Kanzlerin einen Mittelweg zwischen Abschottung und Offenheit. Merkel weiß, dass sie sich die Finger schmutzig macht. Aber übertreiben will sie es dabei nicht.

Nach dem Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel meckern alle Seiten. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warnt vor zu großen Zugeständnissen an die Regierung in Ankara. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisiert, Merkel habe "aktive Wahlkampfhilfe für einen autoritären Herrscher" gemacht. Beide, Özdemir und Hasselfeldt, markieren, wo Merkel in der Flüchtlingspolitik steht: in der Mitte. Genau da sollte sie bleiben.

Die Kanzlerin setzt darauf, dass die Türkei ihr dabei hilft, die Flüchtlingskrise zu lösen. Vereinfacht gesagt: Merkel will keinen Zaun um Deutschland, sondern um Europa. Die Bundesrepublik soll das freundliche Gesicht behalten können, das sie den Flüchtlingen zeigt, die es hierher geschafft haben. Die Drecksarbeit sollen Staaten wie die Türkei erledigen, indem sie die Flüchtlinge gar nicht erst ausreisen lassen.

Ankara soll nicht nur Geld bekommen, um die mehr als zwei Millionen Flüchtlinge, die sich in der Türkei aufhalten, besser versorgen zu können – oder, muss man wohl sagen, um sie überhaupt versorgen zu können. Denn viele Flüchtlinge schlagen sich in der Türkei ohne jede Hilfe der Behörden durch. Die Türkei soll auch illegale Grenzübertritte verhindern sowie illegal ausgereiste Flüchtlinge wieder zurücknehmen. Illegal aber ist jede Fahrt im Schlauchboot von der türkischen Küste zu einer griechischen Insel. Für Syrer, Afghanen und Iraker wäre die Türkei damit Endstation.

Merkel weiß das natürlich. Sie weiß auch, dass sie die Zahl der Flüchtlinge ohne moralisch zweifelhafte Maßnahmen nicht reduzieren kann. Es ist absolut legitim, das wie Özdemir verwerflich zu finden. Eine andere Frage ist, ob diese Position in Deutschland mehrheitsfähig ist.

Und die CSU? Ihre Position ist selbstverständlich ebenfalls legitim, aber auch problematisch, denn ohne Zugeständnisse an den Lieblingsfeind der Christsozialen, den türkischen Präsidenten Erdoğan, wird Merkel ihr Ziel kaum erreichen. Damit das Rückführungsabkommen umgesetzt werden könne, müsse man "natürlich auch den türkischen Staatsbürgern gegenüber das Schengen-Abkommen anwenden", sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu nach seinem Gespräch mit Merkel. Bislang ist kaum vorstellbar, dass die CSU dazu bereit ist, der Türkei visafreies Reisen in die EU zu ermöglichen.

Aber vielleicht ist das alles ja auch nur eine Show, die der Kanzlerin hilft. Je radikaler die Forderungen aus München – etwa nach einem Zaun oder nach Transitzonen an den deutschen Grenzen –, desto gemäßigter wirkt Merkel. In einer Gesellschaft, die hin- und hergerissen ist zwischen Willkommenskultur, Verunsicherung und Abschottung, geht sie einen Mittelweg. Besser kann man es vermutlich kaum machen.

Quelle: ntv.de

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