Kommentare

Ermittlungen gegen Böhmermann Merkels kleiner Triumph über Erdogan

Eine wechselhafte Partnerschaft: Merkel und Erdogan.

Eine wechselhafte Partnerschaft: Merkel und Erdogan.

(Foto: picture alliance / dpa)

Recep Tayyip Erdogan hat verloren. Die deutsche Justiz weist seine Klage gegen den Satiriker Jan Böhmermann zurück. Es ist auch das Resultat einer geschickten Entscheidung von Kanzlerin Merkel.

Angela Merkel würde das wahrscheinlich nie so direkt sagen, aber die Kanzlerin kann an diesem Dienstag ein kleines bisschen Genugtuung empfinden. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat die Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eingestellt. Es dürfte damit so gekommen sein wie von Merkel einkalkuliert.

Die Kanzlerin hatte die Staatsanwaltschaft im April ermächtigt, die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten nach Paragraph 103 des Strafgesetzbuches einzuleiten. Die Entscheidung war umstritten. Kritiker warfen ihr vor, dem Konflikt mit Erdogan auszuweichen, um den Flüchtlingspakt nicht zu gefährden. Aber Merkel hat sich Erdogan damals nicht unterworfen.

Ganz im Gegenteil. Die Kanzlerin hat sogar außerordentlich geschickt agiert. Sie hat auf die Stärke des Rechts vertraut. Darauf, dass die deutsche Justiz dem türkischen Präsidenten die Grenzen aufgezeigt. Die Kanzlerin hat es so vermieden, Erdogan direkt zu brüskieren. Für die Niederlage kann der nun nicht die deutsche Regierungschefin persönlich haftbar machen. An Merkel hat es schließlich nicht gelegen.

Sieg mit Beigeschmack

Eine strafbare Handlung sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen, zu dieser Einschätzung kommt die leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller in ihrer Begründung. Der Gattung der Satire und Karikatur sei es wesenseigen, "mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten". Der Beitrag sei Bestandteil einer satirischen Fernsehsendung gewesen, bei dem das Publikum davon ausgehen durfte, "dass dort getätigte Äußerungen vielfach mit Übersteigerungen und Überspitzungen einhergehen und ihnen die Ernstlichkeit häufig fehlt", heißt es. In Böhmermanns "Schmähgedicht" finde sich eine solche Häufung übertriebener, "abwegig anmutender Zuschreibungen negativ bewerteter Eigenschaften und Verhaltensweisen", denen jeder Bezug zu tatsächlichen Gegebenheiten fehlt.

Dass Erdogan mit seiner Klage keinen Erfolg hat, ist auch ein Sieg für Demokratie und Meinungsfreiheit. Für die Kanzlerin ist es jedoch nur ein kleiner Erfolg. Das liegt daran, dass sie im Umgang mit Erdogan und Böhmermann schwerwiegende Fehler gemacht hat. Dass sie sich zu einer Bewertung hinreißen ließ und das Gedicht früh als "bewusst verletzend" bezeichnete, war unpassend und falsch. Merkel hat dies später selbst eingestanden. Den Schaden konnte sie damit jedoch nicht mehr abwenden.

Die persönliche Einordnung hat Merkel angreifbar gemacht. Dadurch gab sie jenen Futter, die ihre Entscheidung zu Gunsten von Erdogans Klage später als tendenziös empfunden haben. Jenen, die ihr bis heute vorwerfen, sie sei zu nachlässig gegenüber dem türkischen Präsidenten. Zuletzt sahen sich die Kritiker darin erneut bestätigt, als Merkel ein offensichtliches Tauschgeschäft einging. Sie distanzierte sich von der Armenien-Resolution und erreichte damit, dass die türkische Regierung das Besuchsverbot für deutsche Soldaten lockerte. Ein diplomatischer Erfolg, aber wieder blieb ein Beigeschmack. Auch deshalb wird die Entscheidung der Staatsanwaltschaft dem Ansehen von Merkels Türkei-Politik vermutlich nicht wirklich nutzen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen