Der Grexit naht Schäuble und Tsipras, Hand in Hand
27.06.2015, 13:35 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die griechische Regierung hat die Wahl: Grexit oder Sparen nach Maßgabe der Institutionen. Nichts hat sich daran seit ihrem Amtsantritt im Januar geändert. Radikale Kompromisslosigkeit in Berlin, Brüssel und Athen drohen Griechenland ins Chaos zu stürzen.
Sie haben es geschafft. Mit vereinten Kräften haben der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble Griechenland an den Rand des Grexit gebracht. Tsipras hat den Grexit vermutlich nicht angestrebt, aber in Kauf genommen. Vielleicht hofft er sogar jetzt noch, dass Deutschland und die anderen Euro-Regierungen den Bruch in letzter Minute abwenden werden. Schließlich verschleppt die Eurozone die griechische Pleite schon seit Jahren - übrigens nicht aus Mitleid mit den Griechen, sondern aus Angst vor den Konsequenzen für die eigenen Volkswirtschaften. Tsipras setzte darauf, dass die Bundesregierung nur bluffte, wenn sie erklärte, sie halte die Folgen eines Grexit außerhalb Griechenlands für beherrschbar.
Ebenso verantwortlich für die Zuspitzung sind die von Schäuble angeführten europäischen Finanzminister. Das alte Diktum von Bundeskanzlerin Angela Merkel, "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", galt für ihn spätestens seit der Wahl in Griechenland vor fünf Monaten nicht mehr. Für Schäuble ist der Grexit kein unkalkulierbares Risiko, sondern eine reale Option. Mittlerweile gilt das vermutlich auch für Merkel und sicher für den Internationalen Währungsfonds.
Von geringfügigen Ausnahmen abgesehen bestand die "Flexibilität", die im Rahmen des "Hilfsprogramms" angeblich möglich war, darin, dass Tspiras folgende Wahl hatte: Er konnte das Angebot von IWF, EZB und EU-Kommission annehmen oder eben nicht. Ein Höhepunkt der Erniedrigung der griechischen Regierung war am Mittwoch erreicht, als die Institutionen ein griechisches Papier im "Änderungen nachverfolgen"-Modus verbreiteten: dicke rote Striche durch die griechischen Pläne, dazu ebenfalls rote Vorschläge, die schon die abgewählte griechische Regierung unannehmbar fand.
Auch Schäuble hat nicht geblufft
Ganz offensichtlich waren die Institutionen - aber auch die Bundesregierung, die sich hinter ihnen versteckt - zu echten Kompromissen nie bereit. Dass die griechische Regierung sich aufführte wie Klischee-Sozialisten, mit denen ein Konservativer wie Schäuble, der in den 1960er- und 70er-Jahren politisch sozialisiert wurde, niemals Kompromisse schließen würde, half sicher auch nicht weiter - ebenso wenig wie die abfällige Haltung, die das europäische Establishment den linken Neulingen entgegenbrachte. Mit falschen Karten gespielt zu haben, kann man Athen dagegen nicht vorwerfen. Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis haben stets gesagt, dass sie keine Verschärfung der Sparpolitik akzeptieren werden. Denn das ist es, was die Institutionen fordern - nicht eine Fortsetzung, sondern eine Verschärfung der Sparpolitik.
Aber auch Schäuble hat nicht geblufft. Aus seiner Sicht war die Sparpolitik, die in ihrer Radikalität aus ökonomischer Sicht unsinnig war und ist, alternativlos. Damit waren die Kernziele der griechischen Regierung nicht umsetzbar. Die Drohung mit einem Referendum dürfte daran nichts ändern, auch wenn sie eine hübsche Pointe ist: Noch im Mai hatte Schäuble gesagt, das griechische Volk entscheiden zu lassen, wäre "vielleicht sogar eine richtige Maßnahme". Aber nach allgemeiner - wenn auch nicht seiner eigenen - Lesart hatte der Bundesfinanzminister bereits 2011 ein Referendum in Griechenland abgelehnt und so zum Sturz des damaligen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou beigetragen.
Mag sein, dass auch Tsipras über seinen Referendumsplan stürzt. Zu wünschen wäre es nicht - wenn Griechenland etwas nicht braucht, dann sind es vorgezogene Neuwahlen im Fünfmonatsrhythmus. Ein Grexit in Zeiten des Wahlkampfs würde das Land endgültig ins Chaos stürzen.
Quelle: ntv.de