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Volles Risiko Wie weit wird Tsipras gehen?

Tsipras hat viele seiner europäischen Kollegen überrascht.

Tsipras hat viele seiner europäischen Kollegen überrascht.

(Foto: REUTERS)

Alle Indizien weisen darauf hin, dass Griechenlands Ministerpräsident sich auf einen langen Kampf mit den Gläubigern vorbereitet hat. Alexis Tsipras scheint sich keine allzu großen Sorgen um die Konsequenzen einer Staatspleite zu machen.

Während die Risikopolitik in der griechischen Finanzkrise neue Höhepunkte erreicht, kratzen sich einige europäische Regierungschefs den Kopf, um zu verstehen, in welchem Handlungsrahmen sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras derzeit bewegt. Andere Regierungschefs scheinen in eine Starre gefallen zu sein.

Es stimmt, dass der so aufwieglerische Tsipras viele seiner europäischen Kollegen überrascht hat. Obwohl seine Wahlversprechen ein klares Bild seiner Regierungspläne gezeichnet hatten, ging man davon aus, dass er, sobald er an der Macht wäre, seine Forderungen an die Gläubiger Griechenlands verwässern würde, um rechtzeitig eine Einigung zu erzielen.

Aber nach viereinhalb Monaten endloser Verhandlungen mit der Europäischen Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) scheint der einzige Kompromiss, zu dem Tsipras bereit ist, in Teilprivatisierungen zu liegen. Dabei geht es nicht um neue Privatisierungen, sondern um eine Fortsetzung der Angebote bei den griechischen Regionalflughäfen und der Hafenbehörde von Piräus.

Bei seinen anderen roten Linien - der Reform des Rentensystems, der Liberalisierung des Arbeitsmarktes und der Abschreibung oder wenigstens der Umstrukturierung der griechischen Schulden - zeigt er keinerlei Bereitschaft zum Kompromiss.

Wie weit will Tsipras seine riskante Politik noch treiben?

Alle Indizien weisen darauf hin, dass er sich auf einen langen und harten Kampf mit den Gläubigern vorbereitet hat und dass er sich nicht allzu große Sorgen über die Konsequenzen einer möglichen Staatspleite macht. Griechische Medien berichteten am Mittwoch, er habe dem Vorsitzenden der Partei To Potami, Stavros Theodorakis, bei einem Treffen am Dienstag gesagt, dass er wegen möglicher Kapitalkontrollen nicht sehr besorgt sei, weil "Syriza-Wähler ohnehin keine großen Sparguthaben besitzen".

Ob das wahr ist oder nicht, es ist offensichtlich, dass es Tsipras schwerfallen würde, seine Syriza-Genossen und seinen Koalitionspartner, die "Unabhängigen Griechen" (Anel), davon zu überzeugen, einer Einigung zuzustimmen, die in der Nähe der aktuellen Forderungen der Gläubiger liegt. Einige Beobachter fürchten sogar, dass Tsipras das Land lieber pleite gehen lassen würde als die "absurden" Bedingungen der Gläubiger zu akzeptieren und die "Kolotoumba" (die Rolle rückwärts) zu machen, wie frühere griechische Regierungschefs es bei den Bailout-Programmen gemacht haben.

Yanis Varoufakis, Tsipras' Partner in diesem Risikospiel, zeigt dieselbe harte Haltung. Bei seinem Besuch in Paris am Mittwoch signalisierte er, dass es beim Eurogruppen-Treffen an diesem Donnerstag keine Einigung geben werde und die einzige Chance für ein Abkommen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs liege, wobei er auf den EU-Gipfel in der nächsten Woche anspielte.

Einige Griechen haben vielleicht das Gefühl, Tsipras zeige starke Führung und kämpfe hart, um seine Versprechen zu halten. Aber täglich wird deutlicher, dass er sich bei der Bereitschaft der Eurozone, Entschlossenheit zu zeigen und sich nicht "erpressen" zu lassen, schrecklich verkalkuliert hat. Selbst die Annahme, Kapitalkontrollen seien beherrschbar, könnte sich leicht als tragische Illusion herausstellen. Einige Syriza-Vertreter zeigen auf das Beispiel Zypern und wie gut das Land mit Kapitalkontrollen zurechtgekommen sei. In Zypern gab es aber einen wesentlichen Umstand, der geholfen hat, dass die Kapitalkontrollen funktionierten: Das Land hatte einem Bailout-Programm mit seinen Gläubigern bereits zugestimmt.

Aus dem Englischen von Hubertus Volmer (hier finden Sie die Originalversion)

Quelle: ntv.de

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