Person der Woche

Person der Woche: Füllkrug Das Retro-Geheimnis von Deutschlands neuem Liebling

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Ist Füllkrug eine Reminiszenz an die guten alten Zeiten?

Ist Füllkrug eine Reminiszenz an die guten alten Zeiten?

(Foto: IMAGO/MIS)

Niclas Füllkrug gelingen als Joker der Nationalmannschaft wichtige Tore. Er avanciert zum Liebling der Nation. Doch das liegt nicht nur am Fußball. Füllkrug trifft einen besonderen Nerv der Deutschen - die Sehnsucht nach politisch inkorrekter Normalität und Holzfäller-Heiterkeit.

Niclas Füllkrug avanciert zum neuen Liebling der Fußballnation. Das liegt vordergründig an magischen Toren nach Einwechslung. Mit seinem vierten Joker-Tor bei einem großen Turnier ist Füllkrug in dieser Statistik jetzt sogar DFB-Rekordhalter. Das späte Kopfballtor gegen die Schweiz rettet nicht bloß die EM-Stimmung rund um die Nationalmannschaft. Es könnte gar wie der legendäre "Odonkor-Neuville-Moment" von der WM 2006 werden - ein Knotenlöser und Impulsgeber für ein Sommermärchen.

Doch die enorme Beliebtheit von Füllkrug (der Song "Füllkrug mit Bier, wir werden König von Europa" hat das Zeug zum absoluten Ballermann-Laubenparty-Fanzonen-Hit) hat einen anderen Grund. Der Mittelstürmer ist so herrlich bodenständig-normal wie lange kein Star mehr. Er steht für Familienmensch-Authentizität, Provinz-Stolz, Grillparty-Heiterkeit. Er bedient mit seinen ebenso kantigen wie verschmitzten Zahnlückenauftritten Deutschlands Sehnsucht nach dem Holzfäller in uns.

Zeitgeistig besehen ist Füllkrug der fleischgewordene Retro-Trend. Wenn sich die Gesellschaft in modischen Regenbogen-Marotten überschlägt und die Fußballwelt wie eine gestylte Operette wirkt, hält Füllkrug rustikale Eigenheiten gleich reihenweise dagegen. Er bricht auf sympathische Art allerlei Normen und wirkt damit wie ein lustiger Wald-Bär auf einem feinen Maskenball.

Sieben spezielle Elemente der Außenseiter-Andersartigkeit machen den Retro-Füllkrug voll:

Erstens: Der moderne Geschmeidigkeits-Fußball fordert die schnellen, wendigen Passmaschinen-Spieler - doch Füllkrug ist die altmodische Sturmkante, ein Kopfballungeheuer der beinahe ausgestorben geglaubten Marke Horst Hrubesch.

Zweitens: Im medial hochgezüchteten Fußball-Showbusiness sind die heutigen Stars wie Mode-Modells eitel durchgestylt - doch Füllkrug führt eine riesige Zahnlücke demonstrativ spazieren. Er nennt sich einen "hässlichen Vogel" und macht einen Kult daraus. Der Schönheitsmakel wurde zum Markenzeichen. "Ich bin so mit meiner Frau zusammengekommen. Sie hat mich quasi so lieben gelernt", erzählt Füllkrug. Geht doch.

Drittens: Die Stars von heute sind normalerweise in superprofessionellen Fußballakademien der großen Vereine ausgebildet worden und haben durchweg Champions-League-Erfahrung - doch Füllkrug hat eine späte Provinzkarriere mit jeder Menge Zweitliga-Fußball hingelegt, seine Adressen sind Sportfreunde Ricklingen, Werder Bremen, FC Nürnberg, Hannover 96, Greuther Fürth und erst ganz spät Borussia Dortmund. Wenn er spielt, sehen Millionen ihre eigenen Bolzplatzkarrieren vor sich.

Viertens: Moderne Erfolgsfußballer sind medizinische Fitnesswunder mit hoch resilienter Körperlichkeit - doch Füllkrug war in seiner Karriere ein Dauerverletzter. Er durchlitt so viele gravierende Knieverletzungen, wie andere Menschen Husten haben. Sein Nationalmannschafts-Debüt gab er erst im November 2022, da war Füllkrug schon 29 Jahre alt und im Vergleich etwa zu seinem neun Jahre jüngeren Kollegen Jamal Musiala eigentlich ein angeschlagener Oldtimer.

Fünftens: Viele Fußball-Stars leben ihre privaten Liebschaften als Dauereskapade mit Spielerfrauen, die eine Kategorie Showdamen für sich bilden - doch Füllkrug hat seine Lisa schon in der Grundschulzeit kennen und lieben gelernt. Aus der jugendlichen Schulromanze ist eine neunjährige Ehe geworden. Familie hat für ihn oberste Priorität. "Natürlich achte ich aufs Wohlbefinden meiner dreijährigen Tochter. Mir ist wichtig, dass es ihr gut geht", sagt er. Nach dem Traumstart der DFB-Elf holte Füllkrug seine Emilia kurzerhand auf den Rasen und drehte mit ihr auf den Armen eine Ehrenrunde durchs Stadion: "Das war ein kleiner Moment für uns, wo wir uns Bilder geschaffen haben, die für immer bleiben", sagt er wie ein Fan seiner selbst.

Sechstens: Prominente wagen kaum mehr offen sündige Leidenschaften wie Rauchen, Zocken oder Autorasen - Füllkrug schon. Er macht aus seinem Faible für schnelle Autos kein Geheimnis und erklärt: "Schon seit meiner Kindheit sind Autos eine große Leidenschaft von mir." Und so rast er mit Protz-Karren schon mal um Stadien, zuweilen gar mit Autos, die später bei berüchtigten Berliner Clan-Königen wieder auftauchen. Er steht wie ein großer Junge zu einem Leben mit Lücke und Fülle.

Siebtens: Profifußballer sind zusehends politisch korrekte Nichtssager, um bloß nicht anzuecken - doch Füllkrug sagt immer, was er denkt. "Wenn ich nur Phrasen raushauen will, brauche ich keine Interviews geben", so Füllkrug. Das würde ihn "nicht erfüllen". Er erzählt gerne wilde Witze und plaudert leidenschaftlich aus dem Nähkästchen. "Ich verstelle mich nicht und das kommt gut an", sagt er, grinst und hat recht damit. In einer politisch überkorrekten Welt, in der alle nur noch nach einem Vorsichts-Menuett tanzen, grätscht er mit entwaffnender Offenheit der Meinungsfreiheit eine Schneise.

Quelle: ntv.de

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