Person der Woche

Person der Woche Merz ist kaum noch zu stoppen

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Friedrich Merz ist in der Offensive. Hendrik Wüst wirkt hingegen regelrecht abgetaucht. Spielt er schlafendes Krokodil und wartet noch auf seinen Moment? Oder hat er die Kanzlerkandidatur wirklich abgeschrieben, wie man in der CDU jetzt hört?

Friedrich Merz ist im Aufwind, er heizt dem Kanzler und seiner Ampel im Bundestag gehörig ein, gibt der CDU ein neues Grundsatzprogramm und strotzt medial vor Selbstbewusstsein. Seine Umfragewerte steigen, von Macron bis Netanjahu wird er international bereits wie ein gefühlter 2025-Kanzler empfangen. Hendrik Wüst ist hingegen seit Wochen merkwürdig leise in provinzielle Deckung gegangen. Hat das eine mit anderen zu tun?

Das inoffizielle Rennen in der CDU um die Kanzlerkandidatur schien vor einem Jahr noch spannend offen. Söder, Wüst und Merz hatten allesamt Chancen. Heute gibt es kaum mehr einen CDUler, der daran zweifelt, dass Friedrich Merz die klare Nummer 1 geworden ist. Für den Merz-Trend gibt es drei Gründe.

Erstens hat Merz als Parteivorsitzender Erfolg. Die zuweilen blutleer wirkende CDU hat sich unter seiner Führung vom historischen Wahldebakel 2021 bemerkenswert erholt, wichtige Landtagswahlen von NRW bis Hessen, von Schleswig-Holstein bis Berlin wurden gewonnen. Die zerstrittenen Flügel haben unter Merz wieder einigermaßen zusammengefunden und nun sogar relativ harmonisch ein neues Parteiprogramm jenseits der Merkel-Denke formuliert. Die Umfragewerte signalisieren die Breitenwirkung des Comebacks. Die Union ist im neuen RTL/ntv-Trendbarometer stärker als SPD und Grüne zusammengenommen und damit zurück in ihrer Rolle als mit Abstand stärkste politische Kraft in Deutschland. Auch bei der Direktwahlfrage liegt Merz inzwischen weit vor Scholz und Habeck - eine Konstellation, die vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Wenn die Deutschen den Bundeskanzler direkt wählen könnten, würden sich für Scholz nur 15 Prozent und für Habeck 18 Prozent entscheiden, Merz liegt mit 25 Prozent inzwischen sieben Punkte vor Habeck und volle zehn Prozentpunkte vor dem Bundeskanzler.

Zweitens gewinnt Merz in der Rolle des Oppositionsführers Statur. Er hat seine Fehlerquote deutlich minimiert und führt die Bundestagsfraktion leidenschaftlich nach außen und integrativ nach innen, selbst starke Charaktere und einstige Konkurrenten wie Jens Spahn arbeiten kollegial mit. Merz hat machtpolitisch das Glück, dass die Ampel sich in einer beispiellosen Dauerregierungskrise zerstreitet und er daneben seit Monaten wirken kann wie ein Kanzler in Reserve. Diese Rolle inszeniert er nun, unternimmt Staatsbesuche wie soeben in Skandinavien, trifft Emmanuel Macron in Paris und Benjamin Netanjahu in Israel. Er wendet sich bewusst den großen Themen zu. Damit wächst die Aura des Kanzlerkandidaten. Während sich Merz von Ukraine-Krieg bis Nahost-Konflikt weltpolitisch engagiert, mit Ursula von der Leyen Europa neu sortiert, verleiht Wüst in der Stadthalle Coesfeld Karnevalsorden. Und so versammelt sich die CDU immer sichtbarer hinter Merz. Selbst die kritischen Zwischenrufe von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther wirken inzwischen eher folkloristisch. Je mächtiger Merz wird, desto mehr entfaltet das eine Eigendynamik der Zustimmung.

Drittens schwächeln die Merz-Konkurrenten. Söder ist seit seinem schwachen Wahlergebnis bei der Bayernwahl im Oktober aus dem Rennen. In der CDU gab es seit seinem Machtkampf mit Armin Laschet große Vorbehalte gegen Söder, er hätte bei seiner Bayernwahl ein überragendes Ergebnis gebraucht, um das zu konterkarieren. Doch das Gegenteil ist passiert. In der ARD-Sendung "Caren Miosga" hat Söder am Sonntag eingestanden, dass er keinen zweiten Anlauf wagen könne: "Das probiert man einmal im Leben". Tatsächlich muss er sich inzwischen Fragen gefallen lassen, ob er denn interessiert sei, unter einem Kanzler Merz Verteidigungsminister zu werden.

Wüst wiederum bekommt medial gute Resonanz; in der CDU aber erfährt er wachsenden Widerstand. Die Landesverbände in Ostdeutschland und Baden-Württemberg, aber auch die mächtige Mittelstandsvereinigung verbreiten in der Union das Narrativ, Wüst stehe für eine "Rückkehr zur Merkelpolitik", vor der sich die CDU gerade erfolgreich emanzipiert habe. Die neue Wüst-Biografie der Journalisten Tobias Blasius und Moritz Küpper untermalt das Merkelhafte an ihm. Er sei kontrolliert bis zur Unkenntlichkeit. "Bloß nicht provozieren", "nur Reden halten, die man schnell vergisst", "sterile Konsensfähigkeit" - solche Attribute werden dem "Samtigen" zugeschrieben wie weiland Angela Merkel. Für sonnige Zeiten sind das brauchbare Talente für breite Akzeptanz.

Das Krokodil wartet auf den Sommer

In bewegten Zeiten aber wirkt Wüst als Mann ohne Eigenschaften neben dem kantigen Klartexter Merz zusehends blass. Wüst hält sich instinktiv aus den großen politischen Schlachten der Republik heraus, um keinen medialen Schaden zu nehmen. Doch mit jedem Monat, in dem er weiter abtaucht und Merz die große Bühne überlässt, sinken seine Chancen auf die Kandidatur. Wüst verpasst die Gelegenheit, sich bundespolitische Ambition oder außenpolitische Kompetenz zu erarbeiten. Aus seinem Umfeld ist in Düsseldorf zu hören, dass er "Zeit habe" und mit erst 48 Jahren auch gut noch Jahre "abwarten könne", ehe er nach Berlin wechsele. Aber hat er die Kandidatur für 2025 wirklich schon abgeschrieben?

Ministerpräsident Wüst und CDU-Chef Merz am Freitag in Köln auf einer von mehreren Regionalkonferenzen zum neuen Grundsatzprogramm.

Ministerpräsident Wüst und CDU-Chef Merz am Freitag in Köln auf einer von mehreren Regionalkonferenzen zum neuen Grundsatzprogramm.

(Foto: picture alliance / Flashpic)

"Hendrik Wüst spielt schlafendes Krokodil", unkt ein CDU-Präsidiumsmitglied über den NRW-Ministerpräsidenten. Er akzeptiere es, dass Merz derzeit die Kanzlerkandidatur kaum genommen werden könne, zumal der als CDU-Vorsitzender erstmals in der Geschichte von der Parteibasis direkt gewählt worden sei. Aber er lauere zugleich auf einen großen Merz-Einbruch. Sollte der bis zum Spätsommer noch kommen, dann krieche das Rhein-Krokodil aus der Deckung und schnappe zu.

Quelle: ntv.de

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